: Mit Gott sprechen
FAMILIE Woran glauben Kinder? Kavetwingwa ist 13 und wohnt in Namibia. Tagsüber melkt sie Kühe und Ziegen. Abends sitzen alle am heiligen Feuer und fragen Verstorbene um Rat. Teil 2 unserer Fotoserie „Believe“
■ Der Fotograf: Ton Koene, Jahrgang 1963, hat lange für Ärzte ohne Grenzen gearbeitet, seit 2006 fotografiert er. Er berichtet über Prostitution in Nigeria, Missstände in Somalia und den Genozid in Darfur. Koene lebt in Amsterdam.
■ Die Serie: Für „Believe“ hat Koene Kinder in ihrem Alltag fotografiert – und gefragt, woran sie glauben. In den nächsten Wochen zeigt die sonntaz seine Bilder aus Afghanistan, den USA und Hongkong.
FOTOS UND PROTOKOLL TON KOENE
Mein Name ist Kavetwingwa, ich bin 13 Jahre alt und gehöre zum Stamm der Himba. Ich lebe in Oganda, einem Dorf im Norden Namibias.
Dort wohnen 48 Menschen, sie gehören alle zu meiner Familie. Es gibt 18 Hütten, die in einem Kreis um den Kraal herum gebaut sind. Das ist ein offener Stall, in dem wir nachts die Kühe halten. Ich lebe in einer der Hütten mit meiner Mutter und zehn Geschwistern. Im Moment baue ich meine eigene Hütte. Dort wird mein Mann mit mir wohnen. Meine Eltern haben ihn ausgesucht. Ein Himba aus einem anderen Dorf. Ich bin nicht froh darüber, weil ich ihn nicht kenne und er schon dreißig ist. Für mich ist er ein alter Mann. Ich würde lieber mit meiner Familie leben.
Ich bin gern in Oganda. Hier passiert ständig etwas. Die Kinder spielen draußen, wie die meisten gehe auch ich nicht zur Schule. Ich bleibe immer im Dorf, es gibt viel Arbeit: Ich muss auf die Ziegen aufpassen, die Kühe melken, Essen kochen, Wasser holen, Brennholz suchen und mich um die Geschwister kümmern. Zweimal in der Woche muss ich die Ziegen auf dem Hügel hüten. Wir haben viele, so um die 350. Es gibt dort auch wilde Tiere, die essen gern Zicklein. Darum darfst du nicht unter einem Baum einschlafen. Einmal wollte eine Hyäne eine Ziege fangen. Ich hatte Angst, konnte sie aber mit meinem Stock verjagen.
Wenn die Sonne untergeht und wir unsere Kühe gemolken haben, ist die Arbeit getan. Dann setzen wir uns um das heilige Feuer und erzählen uns Geschichten oder reden über den Tag. Der Platz des heiligen Feuers ist zwischen dem Kraal, wo die Kühe nachts stehen, und der Hütte meines Vaters, der auch der Häuptling des Dorfes ist. Durch das heilige Feuer, das immer brennt, kann mein Vater mit toten Vorfahren reden – und durch sie zu unserem Gott sprechen.
Wenn es Probleme in der Familie gibt oder jemand krank ist, spricht mein Vater zu verstorbenen Familienmitgliedern und fragt sie, was wir tun sollen. Es ist eine Form der Magie, die nur er kann. Wir glauben auch an das schwarze Auge, eine Art Voodoo. Wenn jemand böse auf jemanden ist, kann er zum Medizinmann gehen. Der Medizinmann belegt die Person, auf die du böse bist, mit einem Fluch. Du kannst dir wünschen, dass sie arm wird, sehr krank oder sogar stirbt. Du musst eine Menge zahlen: eine Kuh oder ein paar Schafe. Wenn die Person, die der Medizinmann mit einem Fluch belegt hat, krank wird, weiß sie: Jemand ist böse auf mich. Das Einzige, das die Person machen kann, ist, zum selben Arzt zu gehen und auch mit einer Kuh zu bezahlen, damit der Fluch endet. Der Medizinmann ist sehr klug und musste lange Jahre von seinem Vater lernen. Aber wenn du Malaria kriegst, musst du ins Krankenhaus in Opuwo, der nächsten Stadt, weil der Medizinmann von solchen Dingen nichts weiß.