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Archiv-Artikel

Der Präsident ruft zum Boykott auf

RUMÄNIEN Am Sonntag entscheidet die Bevölkerung in einem Referendum über die Zukunft von Traian Basescu. Er hat kaum Chancen, hofft aber, dass das Quorum von 50 Prozent unerfüllt bleibt

VON WILLIAM TOTOK

BERLIN taz | Die dem suspendierten rumänischen Präsidenten Traian Basescu nahestehende Liberaldemokratische Partei (PDL) hat zu einem Boykott der Volksbefragung am Sonntag aufgerufen. Die Rumänen sollen darüber abstimmen, ob Basescu Staatschef bleibt oder gehen muss. Falls er verliert, werden voraussichtlich im September Neuwahlen stattfinden. Noch vor wenigen Tagen erklärte Basescu, er werde sich am Plebiszit beteiligen, und riet den Stimmberechtigten, seinem Beispiel zu folgen. Inzwischen ist die Zuversicht auf einen Wahlerfolg im präsidialen Lager verschwunden. Jüngsten Umfragen zufolge erklärten 72,08 Prozent der Stimmberechtigten, sie würden für eine Amtsenthebung stimmen. Nur 27,92 Prozent sprachen sich für einen Verbleib Basescus an der Spitze des Staates aus.

Der Strategiewechsel der Basescu-Partei PDL, die nun auf Boykott setzt, ist auf eine Berechnung zurückzuführen, deren Tücken im Wahlgesetz liegen. Die Volksbefragung ist nur dann gültig, wenn sich 50 Prozent plus einer der Stimmberechtigten am Urnengang beteiligen. Liegt die Beteiligung darunter, kann Basescu wieder seinen Platz im Präsidialpalast einnehmen.

Dieses Szenario rief bei dem Historiker Marius Oprea beklemmende Visionen hervor. Diese beschreibt er in einem Zeitungsinterview als hartnäckige Fortsetzung des „Krieges“, den Basescu schon vor Jahren dem Parlament erklärt hatte. Oprea, der 2006 das Institut für die Erforschung der Verbrechen des Kommunismus (IICCR) gründete, wurde auf Betreiben der regierenden PDL 2009 als Leiter entlassen und durch einen Vertrauten Basescus ersetzt. Dagegen protestierte seinerzeit auch die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller. Nachdem im Frühjahr die PDL-Regierung durch ein Misstrauensvotum der Sozialliberalen Union (USL) gestürzt wurde, erhielt Oprea wieder einen Posten in dem Institut.

Solches wurde in zahlreichen staatlichen Verwaltungsgremien im ganzen Land vorgenommen. Die PDL-Leute wurden im Eilverfahren durch Personen ersetzt, die dem aus den Sozialdemokraten des Premiers Victor Ponta und den Liberalen des Interimspräsidenten Crin Antonescu bestehenden USL-Bündnis nahestehen.

Oprea veröffentlichte Anfang dieser Woche ein Buch mit dem Titel „Das wahre Gesicht des Traian Basescu“. Es ist eine Abrechnung mit den dunklen Seiten der Vergangenheit Basescus während der kommunistischen Diktatur. Aber auch seine Tätigkeit als Verkehrsminister in der Nachwenderegierung der postkommunistischen Front zur Nationalen Rettung wird gestreift.

Die politischen Ableger der später in zwei Gruppierungen zersplitterten Front sind die beiden Parteien, die sich heute unversöhnlich gegenüberstehen und sich im Wahlkampf gegenseitig zerfleischen: die Liberaldemokratische Partei (PDL) von Präsident Basescu und die Sozialdemokratische Partei (PSD) von Premier Ponta. An diesen Gepflogenheiten wird auch der Ausgang des Referendums kaum etwas ändern.