wortwechsel
: Unsere wunderbare Freiheit ist in Gefahr

Kontaktunterbrechung im Privatleben wegen Corona, islamistische Attentate und eine einmalige Präsidentschaftswahl erschüttern das zivilisierte Zusammenleben

Wie geht‘s weiter? Foto: Oliver Berg/dpa

Christliche Werte

„Sie wissen, was sie tun“,

taz vom 4. 11. 20

Dieser Artikel hat viele Elemente, denen ich zustimme. Es wird allerdings behauptet, dass Millionen Wähler.innen Trump gewählt haben, weil es sie störe, dass sich die moderne Gesellschaft von christlichen Werten abgewendet habe.

Hier liegt meiner Meinung nach ein grundlegendes Missverständnis vom Christentum vor, das leider anscheinend ebenso in den Köpfen vieler angeblich religiöser Gruppen vorliegt: Das Christentum ist demokratisch! Das Christentum will, dass ich den Nächsten liebe, ihn verstehe. Das bedeutet, dass ich zum Beispiel auch die sexuelle Orientierung von gleichgeschlechtlichen Menschen akzeptiere. Es ist falsch, das Christentum mit bestimmten rigiden Regeln und Moralvorstellungen gleichzusetzen. Deswegen ist auch vieles an der christlichen Lehrmeinung gar nicht wirklich „christlich“. Ulrike Lehnen, Neuss

Antidemokrat

„Sie wissen, was sie tun“, taz vom 4. 11. 20

Ein Egomane und Multimillionär als Präsident, dem alles recht ist, wenn es ihm hilft, wenn es nach seinen, sehr oft kruden, Ideen ging und geht. Unberechenbar für viele, dem das Wort Demokratie fremd ist. Sein Motto: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich und den vernichte ich. Mit einem Wort, ein unberechenbarer Typ, der nur sich selbst kennt.

Und diese Neuwahl, durch die er wieder Präsident werden will, ist alles andere als demokratisch. Mitten im Wahlkampf hetzte er bereits seine waffenstrotzenden Anhänger auf, haltet euch bereit. Sollte er die Wahl verlieren, dann will er das Ergebnis nicht anerkennen, gab er bereits bekannt. Und das alles im angeblich demokratischsten Land der Welt?

Was passiert, wenn doch Biden knapp gewinnt? Nicht auszudenken, womöglich ein neuer Bürgerkrieg? Angezettelt von einem Egomanen, der ständig vor dem Spiegel steht, um sich selbst zu applaudieren. Mit Trump hat Amerika ausgeträumt. Ich möchte ihm seine eigenen Worte zurufen: „Mister Trump, You are fired!“

Franz Schramböck, Linz

Corona die Zweite

„Merkel verteidigt Teil-Lockdown“,

taz vom 2. 11. 20

Die zweite Corona Welle ist da und die Kontaktunterbrechung im Privatleben soll die Rettung bringen. Doch kein Wort darüber, dass seit Jahren bekannt ist, dass es an Pflegepersonal fehlt und dies heute die größte Schwachstelle im Gesundheitssystem ist. Statt den Mangel effektiv zu beheben mit Anwerbeprämien von einmalig 5.000 Euro bei Beginn der Ausbildung, und Übernahme der Umzugskosten und Fahrkosten sind hilfreich.

Lieber gibt es Prämien in dieser Höhe für Elektroautos. Was ist eigentlich wichtiger: Menschenleben retten oder E-Autos fördern? Das Richtige tun, ist ganz einfach, neue Wege zu gehen sind ein Lösungsansatz.

Jetzt sollen sich Freiwillige melden, die eine medizinische Ausbildung haben, um noch im Notfall die Lücken im Gesundheitssystem der Vergangenheit notdürftig in der Coronazeit zu stopfen. Thomas Bartsch-Hauschild, Hamburg

Ungute Gewichtung

„Österreich sucht nach Erklärungen“,

taz vom 4. 11. 20

Es gab den Anschlag in Wien, darüber konnten sich alle eure Leser*innen ein sehr ausführliches Bild machen. Und dann? Wie kann es sein, dass es zwei Terroranschläge, die am selben Tag verübt wurden, es nicht in eure Zeitung geschafft haben? Bei einem Angriff auf die Universität in Kabul sind 35 Menschen getötet worden, 22 weitere wurden verletzt. Die Angreifer, zwei Kämpfer des IS, waren am Morgen auf das Hochschulgelände gestürmt und hatten das Feuer eröffnet. Einer von ihnen habe zu Beginn des Überfalls einen Sprengsatz gezündet, die anderen beiden seien von Sicherheitskräften erschossen worden. Es handelt sich bereits um den zweiten Anschlag auf eine Bildungseinrichtung in Kabul in weniger als zehn Tagen.

Äthiopien, Region Oromia: Am Sonntag kam es zu einem „brutalen Terrorangriff“ in der Region, bei dem etliche Menschen getötet, entführt oder verletzt worden sind. Die Zahl der Opfer wurde nicht genannt. Amnesty International sprach von mindestens 54 Getöteten. Ich bitte euch, bei der Berichterstattung mehr auf Ausgewogenheit und Gleichgewicht zu achten.

Theresa Scheitzenhammer, München

Kosten sparen

„Coronatest beim Tierarzt“,

taz vom 3. 11. 20

Wir Tierärzte sind schon seit jeher geübt darin, Massenuntersuchungen durchzuführen. Unsere Labore, insbesondere die staatlichen, sind allesamt zertifiziert und viele sogar akkreditiert. Was ich in der ganzen Coronazeit von vermisst habe: eine Auskunft der Humanmediziner darüber, warum Coronaproben nicht gepoolt werden, wodurch Zeit, Ressourcen und Kosten gespart würden.

In der Veterinärmedizin funktioniert das so: Beispielsweise zehn Proben werden so aufbereitet, dass man daraus einen Pool bildet. Dann wird nur diese eine Poolprobe untersucht. Ist diese Untersuchung negativ, kann man auch alle zehn Proben für negativ erklären. Etwas aufwändiger wird es nur, wenn der Pool positiv wird und man ihn „auflösen“ muss. Aber selbst wenn man jeden fünften Pool auflösen müsste: Insgesamt hätte man dennoch immense Ressourcen gespart.

Miriam Linder, Magdeburg

Verdammte Gewalt

„Schleich di, du Oaschloch!“,

taz vom 3. 11. 20

Auch wir Deutschen haben es nicht geschafft, den „Anfängen zu wehren“. Den Anfängen und Fortsetzungen von ideologischer Ungerechtigkeit und Gewalt. Diese verdammte Gewalt wird geebnet durch undemokratische, weil demagogische und identitäre Rhetorik, von rechts – und von links, überall in der Welt.

Vernunft, also die Befähigung selbst, differenziert wahrzunehmen, angemessen zu benennen und zivilisiert zu handeln, ist das alles entscheidende Mittel für den Erhalt und die Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaat. Wir alle, gleich welchem Glauben und gleich welcher politischen Überzeugung, sind (und bleiben) aufgerufen, Stellung zu beziehen gegen die Durchsetzung von Gewalt, Diskriminierung und Ignoranz, versus Unwahrheit und Ungerechtigkeit; jederzeit, überall.

Matthias Bartsch, Lichtenau

Was steht auf dem Spiel?

„Erst einmal tief Luft holen“,

taz vom 4. 11. 20

Frau Gaus schreibt: Es ist Trump gelungen,den Glauben an Säulen des demokratischen Systems nachhaltig zu erschüttern. Trumps unverfrorene, egomanische Botschaft des Me First, America First hat tiefe Ursachen. Sie basiert auf demokratischen Grundüberzeugungen. Können heute, im Klimawandel, die Rechte Einzelner Vorrang haben vor Maßnahmen zur Verhinderung dieses? Hat die Beibehaltung des Wohlstands der Industrieländer Vorrang vor Maßnahmen zur Abwehr des Klimawandels? Sollen wir dem missionarischen Eifer Amerikas, allen Ländern die Demokratie aufzunötigen, folgen?

Ja, atmen wir erst mal kräftig durch.

Klaus Warzecha, Wiesbaden

Bezahlung des Fluges

„Flug abgesagt, Geld behalten“,

taz vom 5. 11. 20

Meiner Meinung nach muss die Praxis der Vorauszahlung zumindest europaweit per Gesetz abgeschafft werden. Die Bezahlung des Fluges darf erst am Tag der Leistung/Fluges den Kunden belastet werden. Wenn Kunden ohne Grund den Flug nicht antreten, kann man immer noch eine Kostenpauschale berechnen. Es ist ein Skandal, dass Unternehmen ohne Grund die Rückerstattung ignorieren können. Hubertus Storr, Rosenheim

meinungsstark
:

Die Freiheit steht an erster Stelle

„Parallelen bei Motiven und Profil“,

taz vom 31. 10. 20

Liberté – Egalité – Fraternité. Die Freiheit (auch des einzelnen Menschen) steht nicht umsonst an erster Stelle an den Portalen der französischen Schulen und Universitäten sowie vielen anderen staatlichen Einrichtungen. Erst die Freiheit und lange Zeit nichts.

Das freie Denken und Handeln muss absoluten Vorrang vor ideologischen und fundamentalistischen Weltanschauungen und Religionen haben. Das freie Denken eröffnet dem Menschen erst die Erkenntnis einer mit der Freiheit einhergehenden Notwendigkeit zu sozialem und weitgehend gerechtem Handeln.

Weder Denkverbote, noch Sprachzensur darf die Freiheit von Wort und Geist einschränken. Die seit der französischen Revolution im Verlauf von mehr als 200 Jahren erkämpften Errungenschaften dürfen von nichts und niemandem zur Disposition gestellt werden.

Hans-Joachim Lippert, Einbeck

Kein Kahlschlag für Windräder

„Wieder mehr Windräder“, taz vom 3. 11. 20

In Hessen liegen 80 Prozent der Vorrangflächen für zukünftige Windräder im Wald. 1,6 Hektar gesunder Mischwald sollen in meiner Nachbargemeinde pro Windrad kahlgeschlagen werden.

Der Odenwald, der Reinhardswald und viele andere Waldgebiete sollen wie ein Schweizer Käse zerlöchert werden, dem Waldsterben wird so enorm Vorschub geleistet.

30.000 Windenergieanlagen gibt es bereits, weitere 30.000 sollen gebaut werden, obwohl sie unsere Stromversorgung aufgrund der Unzuverlässigkeit des Windes nicht sichern. Also Tausende Hektar Wald sollen für Windräder geopfert werden, obwohl im Wald unser Trinkwasser gebildet wird, etwa drei Millionen Liter pro Hektar im Jahr.

Ich halte dies für unverantwortlich. Es ist viel sinnvoller, Photovoltaik zur sauberen Stromerzeugung auf alle geeigneten Dächer zu installieren – und es müsste dringend in Speichertechnologien investiert werden, für den ja nicht immer zur Verfügung stehenden Strom aus Wind und Sonne. Immer mehr Windräder in die Natur zu bauen, wird uns nicht helfen. Stefanie Plüschke, Biebertal

Trügerische Idylle

„Zurück in die Wildnis“, taz vom 2. 11. 20

Artgerecht ist nur die Freiheit. Tierwohl und Pflanzenschutz in einer ausgeglichenen ökologisch-dynamischen Biosphäre sind ein hehres Ziel der Renaturierung im Landschaftsschutz. Der Widerspruch zeigt sich für diese Insellösungen zentral und peripher.

Zentral durch invasive Arten in Flora und Fauna, peripher durch Einträge und Altlasten in Boden, Wasser und Luft.

Am Beispiel Boddenlandchaft sind Marderhund und Wildschweinrotten problematisch für Tierwelt und Küstenschutz, in der angrenzenden überfischten Ostsee liegen Altlasten in Wracks und riesigen Munitionsbergen mit Phosphor und vieles mehr, der Korrosion jahrzehntelang ausgesetzt.

Alle Teillösungen sind chic, aber fragil. Komplexe kausale Konzepte sind wohl unbezahlbar. Und manche Frage hat vielerorts ein unkalkulierbares Spaltpotenzial: Wie begegnen wir dem wiederkehrenden Wolf? Martin Rees, Dortmund