Schummrige Weltkriegsatmosphäre

40.000 BESUCHER Zufriedenstellend fällt die Bilanz des neugestalteten Art Forum aus: Von Krise keine Spur

Mit Spannung wurde der Relaunch des Art Forums Berlin unter neuer, „Art Basel“-erfahrener Leitung erwartet. Am Samstagnachmittag war der Parkplatz fast leer. Doch letztlich lief alles rund: Rund 40.000 Besucher wurden gezählt, und die Galeristen scheinen von der Berliner Messe überzeugt gewesen zu sein.

Zwei Schwergewichte

An den beiden Haupteingängen durften sich zwei Schwergewichte breitmachen. Xavier Hufkens aus Brüssel präsentierte Skulpturen von Erwin Wurm und Antony Gormley sowie Gemälde von George Condo und landete mit seiner ersten Teilnahme eine blendende Verkaufsbilanz. Gegenüber zeigte der Rückkehrer Max Hetzler eine breit angelegte Einzelschau von Arturo Herrera.

Den minimalistischsten Stand der Messe hatte die Spencer Brownstone Gallery aus New York. Nicht mehr als das Magnetband eines Videotapes schwebte, von zwei Ventilatoren angetrieben, durch die ansonsten leere Koje. Zilvinas Kempinas’ luftige Angelegenheit verkaufte sich bestens.

Es wurde nicht auf Themen, sondern auf die Kombination vielfältiger ästhetischer Haltungen gesetzt. Eine herausragende Ausnahme bot die zurückgekehrte Galerie Neugerriemenschneider. In der überdachten Koje verbreiteten nachgebaute Lampen aus dem Zweiten Weltkrieg eine schummrige Atmosphäre. Dazu projizierte ein ratternder Filmprojektor eine historische Aufnahme von Konrad Zuses erstem Computer. Eine Serie von Schwarz-Weiß-Fotos an der Außenwand verdichtete Simon Starlings Szenario in Inneren und stellte zugleich den Verkauf sicher.

Die Öffnung für Kunst der 60er-Jahre erwies sich als gelungen. Besonderns interessant war der Stand der Galerie Aanant & Zoo, die sich Arbeiten der Konzeptkünstlerin Channa Horwitz, geboren 1932, einer zu Unrecht vergessenen Künstlerin, widmete. Partituren auf Millimeterpapier erregten mit einer kargen Schönheit und streng durchgehaltenen Deklinationen Aufmerksamkeit.

Wenig veränderte sich in der ehemaligen Freestyle-Sektion, die sich jetzt Focus nennt. Galerien wie Klemm’s, September oder Lena Brüning duften sich nicht mehr in den Haupthallen präsentieren, sondern rutschten, wie Sebastian Klemm es nannte, in den „Out-of-Focus-Bereich“.

Die Frage nach einer besseren Verknüpfung betrifft aber nicht nur junge Positionen, sie gilt auch für den Standort der Magazine. So wurden zwar viele Besucher in den ehemaligen Restaurantbereich der Messe gelenkt, auf die links und rechts gelegenen Emporen, wo sich nun die Magazinshow noch weiter außerhalb des Geschehens befand, kamen aber nur die wirklich Interessierten. Für die nächste Ausgabe wäre eine Überarbeitung der Platzierungen im Sinne einer größeren Durchmischung daher wünschenswert.

Pulverisierte Postapokalypse

Desaströs gelitten wie vor zwei Jahren hat der Sektor Focus unter dem Abseits der Einheitskojen zumindest nicht. Es gab sogar unerwartete Glücksmomente. Sabine Schmitz von PSM konnte sich gleich nach dem ersten Messetag entspannt zurücklehnen. Mit aus pulversierten Schallplatten aufgeschüttetem Sand bespielt Daniel Jacksons „Black Beach“ den gesamten Stand mit einer postapokalyptischen Szenerie.

Auch Esther Schipper, die die letzten fünf Jahre auf dem Art Forum gefehlt hatte, gab an, es es sei diesmal gut gelaufen. Ob ihre Präsenz tatsächlich nötig war, darüber war sie sich nicht ganz sicher, gegenüber der neugestalteten Messe gab sie sich zumindest wohlwollend.

JULIA GWENDOLYN SCHNEIDER