Fragen als Antworten

AVANTGARDEFESTIVAL Der Steirische Herbst in Graz diskutiert die Rolle der Kunst im privatisierten Raum

Stadtverschönerung wird als Versuchsanordnung geprobt

Was hat ein Flugschreiber mit der Black Box Theater zu tun? Diese Frage stellte das Künstlertrio Deepblue in seiner Performance „You Are Here“ beim Kunstfestival Steirischer Herbst und fand unerwartete Kombinationsmöglichkeiten.

Irritierende Signale

Handliche Boxen – Miniarchive und Schaukästen – wanderten am Samstagabend durch die Zuschauerreihen im Grazer Dom. Sie sandten irritierende akustische Signale aus und luden zu einem unverhohlen voyeuristischen Blick in ihr Innerstes ein.

Mit der Spiegelung des Großen im Kleinen und menschlicher Kommunikation in technologischer gelang Deepblue ein Coup: Sie stifteten eine Gemeinschaft auf Zeit. „You Are Here“ ist mehr als ein Gute-Laune-Programm zum Anfassen. Die Kästchen boten auch Abhör- und andere Horrorszenarien à la „1984“, die von der konkreten Black-Box-Situation im Theater ausgingen und sie weitersponnen. Doppelbödig und widersprüchlich wie „You Are Here“ oder ein „Tempel der Vernunft“ präsentieren sich die diesjährigen Arbeiten.

Was bedeutet Tempel der Vernunft? Das offensive Leitmotiv des Steirischen Herbstes könnte eine Antwort darauf sein, würde es sich nicht um eine Frage handeln: „All the same – Was gilt, wenn alles gleich und gültig ist?“ Diskutiert werden die Rolle der Kunst im gesellschaftlichen Diskurs und ihr Standpunkt in einem öffentlichen Raum, der den Bewohnern zunehmend entzogen und privatisiert wird. Szenische Produktionen, Ausstellungen, Vorträge und temporäre Stadtverschönerungsaktionen werden unter künstlerischer Leitung von Veronica Kaup-Hasler und Florian Malzacher als Versuchsanordnungen erprobt, um neue Ideen freizusetzen.

„Utopie und Monument I“ heißt die dazugehörige Reihe. Eine Ausstellung im öffentlichen Raum, die zur Relektüre der arg beschädigten Begriffe Utopie und Monument einlädt. Künstler wie Lara Almarcegui und Andreas Siekmann legen Verborgenes im Stadtbild frei und bieten neue Zugänge. Der Boom klobiger (Tier-)Maskottchen regte Siekmann zur privatisierungskritischen Erzählung „Trickle Down“ an, die von urbanen Selbstvermarktungsstrategien und zweifelhaften Kooperationen mit Großkonzernen handelt. 13 dieser Plastikfiguren hat der Berliner Künstler für seine multimediale Erzählung durch eine Containerpresse geschickt und einem neuen Gebrauch zugeführt..

Arbeiten wie die von Siekmann erfordern Aufmerksamkeit, die einem im Alltag oft fehlt. Der Steirische Herbst spiegelt wider, dass einem vieles entgeht, wenn man den Deckel der Black Box nicht öffnet. ASTRID HACKEL

■ Noch bis 18. Oktober, www.steirischerherbst.at