: Sexistischer Alltag
„Werkstattspruch“ gilt nicht als Beleidigung: Amtsgericht spricht Automechaniker frei, der Kollegin mit sexistischen Aussagen behelligt haben soll
Sind sexistische Sprüche nicht beleidigend, wenn sie alltäglich sind? Sie sind es zumindest dann nicht, wenn sie nur in Anwesenheit einer Frau geäußert werden und nicht direkt an sie gerichtet sind. Das hat gestern das Amtsgericht entschieden: Es sprach einen Automechaniker frei, der eine junge Kollegin mit Sprüchen beleidigt haben soll (taz berichtete). Das Gericht hatte keinen Zweifel daran, dass in der Werkstatt des Autohauses Hoheluft ein anderer Umgangston herrschte als „im Kloster oder Gerichtsgebäude“. Es sei aber unklar geblieben, was Hans H. als „harmloser Werkstattspruch“ geäußert und was er konkret an Svenja K. gerichtet haben soll.
Die hatte den 57-Jährigen beschuldigt, sie täglich mit Sprüchen wie „hoch das Röckchen, rein das Stöckchen“ behelligt zu haben. Als 17-jährige Schülerin jobbte die Tochter des Chefs in der Firma. Über Wochen habe sie die Äußerungen geschluckt, bis zu einer Situation, in der H. sie in der Werkstatt am Verlassen eines Autos hindern wollte und dabei berührte, und da reichte es ihr.
„Ich meine, dass es am Auto tatsächlich etwas gegeben hat, was Svenja K. so aufgewühlt hat“, bestätigte der Richter. Die 17-Jährige war nach jener Situation vollkommen aufgelöst ins Büro geeilt und hatte geschworen, nie wieder die Werkstatt zu betreten. Eine Nötigung sei Hans H. damit aber nicht nachzuweisen.
Das Gericht hält es für möglich, dass Svenja K. und ihr Vater danach Vorwürfe gegen Hans H. gesammelt haben. Diesen Verdacht hatte vor allem ein früherer Lehrling der Firma genährt. Der berichtete, der Chef sei nach der Kündigung von Hans H. ganz froh gewesen, einen renitenten Mitarbeiter los zu sein: „In meinen Augen ist das eine inszenierte Sache.“ Dem folgte das Gericht zwar nicht. Es wollte aber nicht ausschließen, dass Svenja K. und ihr Vater die Geschichte ausgeschmückt hatten zu einem „Geflecht aus unterschiedlichen, möglicherweise unterschiedlich wahren Geschichten“.
Gegen die Kündigung klagt Hans H. vor dem Arbeitsgericht. Nach dem Freispruch wird die Firma sich darauf einstellen müssen, ihn wieder zu beschäftigen. Elke Spanner