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Archiv-Artikel

Held der Arbeiter

Nach „Throw That Beat!“: Klaus Cornfield schleicht sich mit seiner neuen Band „Katze“ noch einmal von hinten in den Indie-Popbetrieb

VON THOMAS WINKLER

Oben auf dem Dach ist der Blick über Berlin schier grenzenlos. Man kann den Allianz-Tower sehen, und hinter den Bäumen liegt die Zentrale des Unterhaltungsmultis Universal. Ganz nah scheint das Gebäude von MTV, und unter uns leuchtet der in die Spree eingelassene Swimmingpool vor der Arena. Die Band mit dem seltsamen Namen Katze dreht ihren ersten Videoclip auf dem Dach der Kunstfabrik am Flutgraben, eingeklemmt irgendwo zwischen Popgeschäft, Kunstanspruch und Kleinkünstlerischem – also ziemlich exakt da, wo Klaus Cornfield seit mehr als zwanzig Jahren festzustecken scheint.

Bevor er Katze gründete, deren erstes Album „Von hinten!“ kommende Woche erscheint, hat der seit über einem Jahr in Berlin lebende Cornfield bereits eine veritable Karriere hingelegt, während deren er – mal mit Musik, mal mit Comics – stets zwischen solider Indie-Reputation und dem großen Beinaheerfolg pendelte. Throw That Beat In The Garbage Can!, die er in Nürnberg gründete, und ihr in die Sixties verliebter Pop wurden Anfang der Neunzigerjahre von einer großen Plattenfirma verpflichtet, nur um sich am Ende des Jahrzehnts frustriert aufzulösen. Als Zeichner brachte Cornfield einen Band mit seinen Figuren Fou-Fou und Haha beim renommierten Carlsen Verlag heraus, bekannt aber wurde er mit den selbst verlegten „Kranken Comics“.

Übers Dach weht nun die erste Zeile aus „Der Brief“, der ersten Single aus dem Debüt von Katze. „In dem Brief, den du mir gabst, steht nur Scheiß“, dröhnt es aus einem Ghettoblaster. Cornfield singt gegen den Wind an und gibt den Clown. Einen Moment scheint da alles wie früher bei Throw That Beat!, als sie die Pippi-Langstrumpf-Titelmelodie coverten und es schon mal passieren konnte, dass Cornfield beim Konzert wie ein Rockstar vom Schlagzeugpodest abhob und dann sehr unrockstarmäßig auf der Nase landete. Nun nimmt er übertrieben breitbeinige Posen ein, reckt das dünne Ärmchen in die Luft und entwirft so eine grinsende Karikatur seines Berufsstandes.

Gleich zu Beginn des Videodrehs war eine gerade im Gebäude tätige Gruppe Bauarbeiter erschienen, neugierig geworden durch die vom Dach dröhnende Musik, und ließ sich von der Band die Mützen signieren. Wer denn die Sängerin sei, die sie da eben gehört hätten, fragten die Bauarbeiter. Die Frauenstimme, hat Cornfield geantwortet, das bin ich. Die Bauarbeiter haben versprochen, zur Record Release Party zu kommen.

Klaus Cornfields Stimme, sie ist ein Phänomen: Niedlich klingt sie, manchmal wie die eines Kindes. Sie vor allem ist es, die dafür sorgt, dass Klaus Cornfield seit Jahrzehnten das Image mit sich herumschleppt, seine Musik sei naiv und süß, wobei eben immer auch ein wenig mitschwingt: eigentlich nicht ernst zu nehmen. Eine Einschätzung, die die Band natürlich nicht teilen möchte. Minki Warhol, die glockenhellen Backgroundgesang und obskure Tastentöne beisteuert, meint zwar: „Er ist wirklich so!“, aber das eher ironisch. Und Schlagzeuger Ufo Stowitz, der in einem früheren Leben bereits bei der semilegendären Nürnberger Psychedelic-Popband Shiny Gnomes trommelte, legt großen Wert auf die Feststellung, dass „der Klaus manchmal schon auch ein Arschloch ist“. Das Arschloch aber relativiert sich selbst: „Ich bin immer auf Niedlichkeit abgefahren“, sagt Cornfield, „aber mir war sie dann am liebsten, wenn sie gebrochen war durch etwas Gemeines oder Abgeblättertes.“

Zu Throw That Beat!-Zeiten dominierte eindeutig der knuddelige Eindruck, auch weil Cornfield damals noch ausschließlich in Englisch textete. Erst mit Katze und seinen ersten deutschen Texten wird nun offensichtlich, dass seine Songs inhaltlich längst nicht so harmlos sind, wie sie musikalisch daherkommen. Allerdings: Immer noch prangt am Gitarrenhals von Cornfields Halbakustischer eine Kunstblume, und selbst wenn er in die Haut eines Selbstmörders schlüpft, wie in „Menschen springen von Hochhäusern“, klingt das noch lange nicht nach knallharter Sozialreportage. Typischer ist da eher schon ein Refrain wie „Was für ein schöner Tag zum Badengehn“.

Auch die musikalische Umsetzung verstärkt den immer noch niedlichen Gesamteindruck von Katze. Traten bei Throw That Beat! die Byrds und die Monkeys gegeneinander an, arbeiten Katze an einer spartanischeren Umsetzung dieses Wettstreits, am „Konzentrat“, wie Cornfield meint. Dabei geraten sie wesentlich „weniger zuckerig“ und finden ihr Plätzchen schlussendlich zwischen Garage, Kinderzimmer und Flohmarkt, wo Cornfield „immer noch gerne nach Klangerzeugnissen sucht“. Da könnte er auch das Stylofon gefunden haben, das Minki Warhol in „Der Brief“ spielt: eine Art archaischer Synthesizer, der in den 70er-Jahren über das Versandhaus Quelle vertrieben wurde.

So macht man nun zu dritt, was Cornfield eigentlich schon immer gemacht hat. „Nur diesmal“, sagt er, „habe ich das Gefühl, dass es schick geworden ist.“ Mit seinen 40 Jahren hat er mittlerweile auch genügend Wellen und Revivals kommen und gehen sehen, um ein Gespür für Erfolg Versprechendes zu haben. Cornfield jedenfalls glaubt, „ein Funkeln in den Augen“ derer entdeckt zu haben, die die neuen Lieder bereits gehört haben – vor allem bei der aktuellen Single, die tatsächlich ein überzeugendes Stück Pop geworden ist, weil einerseits simpel genug, um sich in Gehörgänge zu schleichen, andererseits aber sperrig genug, um dort auch hängen zu bleiben.

Aber eigentlich hängt Cornfield, der in Lima geboren wurde und vor Berlin in Köln, Holland und im Fränkischen lebte, den allzu großen Rockstarträumen längst nicht mehr nach. Und so realitätsgeläutert will er auch den Song „Das Geld, der Ruhm und die Mädchen“ verstanden wissen: „Wer braucht das denn? Wahrscheinlich geht’s einem doch besser ohne allzu viel Geld.“ Hier ist jemand dabei, doch noch zum Bauarbeiterhelden zu werden.

Katze: „Von hinten!“ (ZickZack/Indigo), ab Montag im Handel; Record Release-Party auch Montag, 22.30 Uhr im Rosi’s (Revaler Str. 29)