Umstrittene Gäste aus Guinea

Von heute an soll eine guineische Delegation die Identität von mindestens hundert Afrikanern feststellen, damit diese abgeschoben werden können. Flüchtlingsrat ruft zum Protest auf. Grüne bohren mit dritter Senats-Anfrage nach

Von Eva Weikert

Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr beginnen von heute an in der Ausländerbehörde Massenverhöre von afrikanischen Flüchtlingen durch eine umstrittene Delegation aus Guinea. Diese soll in Kurzinterviews die Herkunftsländer der Papierlosen feststellen, denn ohne Dokumente kann die Behörde sie nicht abschieben. Der Flüchtlingsrat warnt, dass der CDU-Senat rechtswidrig agiere, weil er die Zuständigkeit der guineischen Botschaft übergeht. Für diese Woche kündigt die Organisation Protestkundgebungen vor der Ausländerbehörde an.

Eigentlich haben die diplomatischen Vertretungen die Hoheit über die Austellung von Reisedokumenten. Nur die Botschaft des Landes, aus dem ein Flüchtling stammt, darf ihm ein Identitätspapier ausfertigen. Nach Angaben der Ausländerbehörde ist aber die guineische Botschaft in Berlin an den Hamburger Anhörungen nicht beteiligt. Darum sei die Behördenaktion „mehr als fraglich“, kritisiert der Flüchtlingsrat. Die aus Guinea eingeflogene „dubiose“ Delegation besäße keine Legitimation zur Identitätsfeststellung. „Die rechtswidrigen Verhöre müssen gestoppt werden.“ Auch die GAL-Fraktion sieht die Rechte der Flüchtlinge verletzt und fühlt dem Senat jetzt mit einer kleinen Anfrage bereits zum dritten Mal auf den Zahn (siehe Kasten)

Vorgeladen sind nach Auskunft von Behördensprecher Norbert Smekal mehr als hundert in Hamburg lebende Afrikaner. Zusätzlich schickt unter anderem Nordrhein-Westfalen weitere Flüchtlinge zur Begutachtung durch die Delegation nach Hamburg. Wie viele das sind und aus welchen anderen Bundesländern noch Flüchtlinge hierher transportiert werden, verriet Smekal nicht. Auch auf die Frage, wie die Abordnung zusammengesetzt sei, sagte er: „Darüber möchte ich keine Auskunft geben.“ Den Vorwurf der Flüchtlingshelfer, die Delegation habe keine Befugnis, wies Smekal zurück: Das Außenministerium von Guinea habe die Gruppe auf Einladung der deutschen Botschaft in Conakry nach Hamburg entsandt.

Zwei Wochen sollen die Anhörungen dauern. Die Delegation reist auf Kosten der Stadt an. Im März war erstmals eine Abordnung aus Guinea auf Einladung der Behörde hierher gekommen. Neben den Reisekosten hatte die Stadt für jedes Mitglied ein Tagegeld von 100 Euro spendiert, wie aus der Senats-Antwort auf eine kleine Anfrage der GAL hervorgeht. Insgesamt hätten die Anhörungen damals 60.000 Euro verschlungen – exklusive der Kosten für den Einsatz der Polizei, die elfmal Beamte bereitstellte.

Im März waren 374 Menschen vorgeladen worden. Dem Flüchtlingsrat zufolge mussten viele Migranten stundenlang in Polizeibegleitung warten, um dann „im Schnellverfahren“ abgefertigt zu werden. Die Interviews der Delegation seien nicht simultan übersetzt worden, so dass begleitende Helfer sie nicht hätten verfolgen könnten.

Aus den Senats-Antworten auf zwei kleine Anfragen der grünen Abgeordneten Antje Möller geht hervor, dass bei den Anhörungen im Frühjahr die Menschen im Sechs-Minuten-Takt über Herkunft und Fluchtgründe befragt wurden. Von den 374 Verhörten will die Delegation auf diese Weise 183 als guineische Staatsangehörige erkannt haben. Laut Behördensprecher Smekal seien danach sechs von ihnen abgeschoben worden. „Die Mehrzahl“, so Smekal, „hat sich bei uns nicht wieder gemeldet“ – sprich: ist aus Angst vor Abschiebung untergetaucht.

Der Flüchtlingsrat ruft zu Mahnwachen vor der Ausländerbehörde auf für heute, Mittwoch und Freitag, 8 bis 16 Uhr