piwik no script img

„Deadline-Day-Frank“ ist wieder am Zug

Nach dem mühsamen 1:0 gegen Bielefeld steht Werder Bremen so weit oben in der Tabelle wie lange nicht mehr. Die Erfolgsaussichten sind allerdings getrübt, denn Werder-Verhandlungsführer Frank Baumann muss bis zum heutigen Toreschluss auf dem Transfermarkt noch Spieler gehen lassen

Von Ralf Lorenzen

Florian Kohfeldts heutiger 38igster Geburtstag hätte kaum auf einen überraschungsreicheren Tag fallen können. Erst am 5. Oktober ist in diesem Jahr Toresschluss auf dem Fußball-Transfermarkt, bis 18 Uhr können noch An- und Verkäufe getätigt werden. Erfahrungsgemäß kommt in den letzten Stunden nochmal richtig Bewegung in den Markt. Besonders bei Werder Bremen, dessen oberster Verhandlungsführer, Sportvorstand Frank Baumann, für seine Last-Minute-Deals bekannt ist.

„Wir werden sehen, ob Deadline-Day-Frank wieder zuschlägt“, sagte Kohfeldt nach dem mühsamen Sieg gegen Aufsteiger Arminia Bielefeld.

Schon beim Frühstück wird Kohfeldt dagegen wohl wissen, auf welche Spieler er ab sofort verzichten muss. Es ist seit Langem kein Geheimnis, dass Werder aufgrund seiner finanziellen Lage Transfererlöse dringend benötigt. Für den Wechsel Davy Klaassens zu Ajax Amsterdam wurde noch für den Sonntag die Vollzugsmeldung erwartet. Und bei Milot Rashica, der lange Zeit mit RB Leipzig in Verbindung gebracht wurde, sah Baumann am Samstag eine „hohe Wahrscheinlichkeit“, dass er den Klub noch verlässt.

In beiden Fällen muss allerdings das Angebot stimmen – und da wird Baumanns Verhandlungsposition dadurch geschwächt, dass Werder als einer von wenigen Klubs seine coronabedingten Einnahmeausfälle transparent gemacht hat. Auf etwa 30 Millionen Euro taxierte Vorstandschef Klaus Filbry die Summe – das ist etwa der Betrag, den man sich durch die Verkäufe der beiden Topspieler erhofft. Da aber durch den Klassenerhalt die Kaufverpflichtungen für die ehemaligen Leihspieler Leonardo Bittencourt und Ömer Toprak wirksam geworden sind und noch ein Mittelfeldspieler verpflichtet werden soll, hofft Werder weiter auf einen Kredit der bundeseigenen Förderbank KFW.

Das Spiel gegen Arminia Bielefeld musste kurzfristig ohne Zuschauer ausgetragen werden, weil der Grenzwert von 35 Corona-Infizierten pro 100.000 Einwohner überschritten wurde. So pur und gläsern das Spiel ohne Publikum wirkt, so direkt und ungebrochen schlagen in der Krise die ökonomischen Rahmenbedingungen durch. Und da zeigt sich mitunter, dass der Profifußball doch noch kein Geschäft wie jedes andere ist.

Fußball gespielt wurde auch, allerdings nicht besonders ansehnlich

In wohl keiner anderen Branche dürfte ein leitender Angestellter, der seinen Wechselwunsch klar geäußert hat, noch eine wichtige Sitzung leiten. Klaassen führte die Mannschaft gegen Arminia Bielefeld als Kapitän aufs Feld. Und als der Niederländer in der 75. Minute entkräftet ausgewechselt wurde, wirkten der Abklatschmarsch durch die eigene Reihen und die herzliche Umarmung von Kohfeldt wie Gesten besonderer Wertschätzung.

Fußball gespielt wurde auch, allerdings nicht besonders ansehnlich. Der Werder-Elf merkte man trotz gleicher Aufstellung wie beim 3:1-Sieg bei Schalke 04 und dominanter erster Hälfte spätestens nach der Pause an, dass die Verunsicherung der letzten Saison noch nicht ganz aus ihr gewichen ist und dass sich ihre neuen Komponenten erst finden müssen.

Viel Einsatz, ein schön herausgespieltes Tor durch Bittencourt, zwei Glanzparaden von Torwart Jiri Pavlenka und etwas Glück bei Schiedsrichterentscheidungen reichten, um den zweiten Saison-Sieg einzufahren. „Wir kommen aus einem ganz schweren Jahr, weshalb zwei Siege aus drei Spielen zum Auftakt für uns sehr positiv sind“, sagte Kohfeldt. Er darf sich heute Morgen beim Blick in die Zeitung das erste Mal seit Mai 2019 wieder über einen einstelligen Tabellenplatz freuen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen