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Archiv-Artikel

„Die Anpassung ist bescheiden“

NAHVERKEHR Der Geschäftsführer des Verkehrsverbunds VBB, Hans-Werner Franz, antwortet auf die scharfe Kritik an der jüngsten Tariferhöhung für Busse und Bahnen

Hans-Werner Franz

■ 61, steht seit 2003 als Alleingeschäftsführer an der Spitze des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB).

INTERVIEW CLAUDIUS PRÖSSER

taz: Herr Franz, der VBB hat die Tarife im Schnitt um 2,8 Prozent angehoben – unter Verweis auf die Energiekosten. Die stiegen 2011 auch um rund 2,8 Prozent, sind aber doch nur ein Bestandteil der Kosten. Warum diese überproportionale Erhöhung?

Hans-Werner Franz: Das kann man so nicht sagen. Wenn Sie den Zeitraum von Januar 2010 bis zu den letzten Tarifverhandlungen im Februar 2012 betrachten, sind die Energiekosten viel stärker gestiegen. Am deutlichsten bei Diesel, da hatten wir ein Plus von 21,9 Prozent. Erdgas hat sich um 9,7 Prozent verteuert, Strom um 8,4 Prozent. Sicherlich ist die Energie nicht der größte Brocken in der Kostenrechnung der Verkehrsunternehmen, sie macht etwa 14 Prozent aus. Aber auch der Verbraucherindex stieg im genannten Zeitraum um 6,4 Punkte. Insofern betrachten wir die Anpassung der VBB-Tarife als eher bescheiden und vertretbar.

Kritiker sagen, höhere Tarife seien angesichts des S-Bahn-Chaos nicht vermittelbar.

Darüber, dass es Mängel bei der S-Bahn gibt, herrscht ja kein Dissens. Die S-Bahn Berlin GmbH bringt jetzt schon im vierten Jahr nicht das volle Angebot. Und der VBB kritisiert sie ganz deutlich dafür. Andererseits ist die S-Bahn Berlin GmbH eben nur ein Unternehmen von 40 im ganzen Verbund. Und die allermeisten fahren überwiegend pünktlich und tragen zum Funktionieren des Gesamtsystems bei. Wenn jetzt ein einzelnes Unternehmen schlechte Leistungen erbringt, sollte es seine Kunden auch dafür kompensieren. Das hat die S-Bahn ja auch bereits getan.

In Berlin fahren aber nicht 40, sondern zwei Unternehmen.

Das stimmt auch nicht ganz, es fahren ja auch die Züge der DB Regio und der ODEG oder die Busse der Verkehrsbetriebe Potsdam. Aber sicher nehmen die Berliner die Probleme der S-Bahn deutlicher wahr als andere. Trotzdem, solche extremen Einbrüche gab es im vergangenen Jahr nicht mehr. Wir hoffen, dass der Aufwärtstrend anhält und wir bald wieder die volle Leistung geboten bekommen.

Erneut langt der VBB bei den Zeitkarten zu. Warum belohnen Sie treue Kunden nicht?

„Die S-Bahn ist ja nur ein Unternehmen von 40 im ganzen Verbund“

Bei den Abonnements wurden die Tarife eher unterproportional angepasst. Beim Abo mit monatlicher Abbuchung um 2,2, bei dem mit jährlicher Abbuchung sogar nur um 0,7 Prozent. Wenn Sie das durchrechnen, sehen Sie: Mit dem Jahreskarten-Abo zahlen Sie den Preis von 8,9 Umweltkarten, fahren damit aber 12 Monate. Es ist also durchaus attraktiv, Stammkunde zu sein.

Aber potenzielle Erstkunden werden eher abgeschreckt.

Das sehe ich nicht. Die Abozahlen sind im vergangenen Jahr gestiegen. Das hat natürlich auch mit den Entschuldigungsleistungen der S-Bahn zu tun, dadurch bekam man ja einen weiteren Monat geschenkt. Aber die Tendenz zeigt insgesamt klar nach oben.

Ein 2-Personen-Haushalt zahlt beim VBB in der billigsten Variante ab sofort 1.360 Euro im Jahr. Da lohnt es sich doch längst, ein Auto zu leasen, oder?

Das ist schlecht vergleichbar: Beim Auto haben Sie viele versteckte Kosten, auch Ihre CO2-Bilanz spiegelt der Preis nicht wider. Und die Frage ist, ob zwei Personen den Gebrauch eines einzigen Pkw sinnvoll managen können. Sie brauchen ja gleiche oder ähnliche Fahrziele, Arbeitszeiten und so weiter. Das sind zwei Paar Schuhe.

Draufzahlen, weiterfahren

■ Ab heute legen NutzerInnen von Bussen und Bahnen im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) drauf: Um durchschnittlich 2,8 Prozent steigen die Tarife. Das AB-Einzelticket beispielsweise kostet künftig 2,40 Euro (statt 2,30), die AB-Tageskarte 6,50 Euro (statt 6,30) und die AB-Monatskarte (Umweltkarte) 77 (statt 74) Euro. Zuletzt waren die Tarife Anfang 2011 gestiegen.

■ Die Kritik ließ nicht auf sich warten. Der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion, Harald Wolf, nannte die Erhöhung „absurd“: Gerade erst habe der VBB „gravierende Qualitätsmängel in Unternehmen des Verbundes“ konstatiert – Wolf bezieht sich auf die unpünktlichen oder ausfallenden Züge der S-Bahn. Er forderte, die Einnahmen nicht durch Preissteigerungen zu erhöhen, sondern durch Maßnahmen, mit denen sich „dauerhaft mehr und zufriedene Fahrgäste“ gewinnen ließen. Ins gleiche Horn stieß der Fahrgastverband Igeb. Wie Wolf verwies er auch auf Überlegungen der BVG, das Angebot ab kommendem Dezember einzuschränken – trotz steigender Fahrgastzahlen. (taz)

Müsste das Tarifsystem nicht einen Rabatt für Ehepartner/Lebensgefährten bereithalten?

Das würden wir als eine Verkomplizierung des Systems betrachten. Wir wollen das Tarifsystem ja einfacher machen. Wenn Sie solche Ansprüche einführen, müssen Sie Nachweise verlangen, das hebt den Verwaltungs- und Kontrollaufwand.

Wie viele der Unternehmen im VBB fahren eigentlich mit „grünem“ Strom? Und was tun Sie dafür, dass es mehr werden?

Wir befinden uns in Gesprächen mit den Unternehmen. Die Bemühungen um eine gute CO2-Bilanz sind durchaus da. Es ist aber auch wichtig, auf die Kosten zu schauen. Das Verhältnis muss vertretbar bleiben. Auch grüner Strom muss bezahlbar sein.