wortwechsel: Reaktionen auf die Klimazeitung
Zum Global Strike Day erschien am letzten Freitag die taz als Klimazeitung. 44 Aktivist*innen haben die Zeitung verfasst. Die Reaktionen der Leser*innen fielen sehr unterschiedlich aus
taz, die Klimazeitung
taz vom 25. 9. 20
Keine RWE-Anzeige
Ich bin froh darüber und finde es richtig, dass in der Aktivist*innen-taz keine Anzeige des Braunkohlekonzerns RWE gedruckt wurde, und wünsche mir, dass auch in Zukunft keine Anzeigen dieses rücksichtslosen und umweltzerstörenden Konzerns in der taz erscheinen werden. Seit vielen Jahren bin ich taz-Genossin und schätze die mutige und kritische Berichterstattung in der taz (z. B. von Anett Selle während der Räumung im Hambacher Wald 2018). Da ich im Rheinischen Revier wohne und von den Auswirkungen und Folgen des Braunkohletagebaus betroffen bin, ist es schon schlimm genug, dass die NRW-Landesregierung ausschließlich im Sinne von RWE handelt – da muss „meine taz“ nicht noch an RWE-Anzeigen verdienen und verlogenes Greenwashing unterstützen, sondern bitte dem guten Beispiel des Guardian folgen.
Marlies Schmidt, Wegberg
Keine Anzeigen von fossilen Unternehmen mehr
Vielen Dank für die Klima-Sonderausgabe von heute! Sie wird so schnell nicht auf dem Stapel mit dem Altpapier landen, denn viele Artikel werde ich erst nach und nach lesen können. Danke auch, dass die Debatte über die RWE-Anzeige transparent gemacht wurde – und dass am Ende die Klimaaktivist:innen gewonnen haben und die Anzeige nicht erschienen ist. Es wäre tatsächlich mehr als grotesk gewesen! Vielleicht könnte sich die taz ein Beispiel am Guardian nehmen und keine Anzeigen von fossilen Unternehmen mehr veröffentlichen?!!
Beate Ziegs, Berlin
Journalistische Sorgfaltspflicht fehlt
Ihre aktuelle Ausgabe ist leider ein Armutszeugnis für Ihre Zeitung. Egal wie man zu Fridays for Future steht, eine gemeinsam gestaltete Sonderausgabe mit den Aktivisten lässt jegliche Distanz und jegliche journalistische Sorgfaltspflicht vermissen. Ich erinnere hier gerne an Hajo Friedrichs: „Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein.“ Diese Devise haben Sie grob missachtet.
Gerhart Thomas, Hamburg
Tragische Fehleinschätzung
Zuerst mal vielen Dank für die tolle heutige Klimazeitung! Aber:
Der Artikel von Shayli Kartal hat mich traurig und – wütend! – gemacht. Er strotzt von Unterstellungen und Projektionen darüber, wie (fortschrittliche) weiße Menschen über den Globalen Süden und die dortigen Menschen angeblich denken. „Koloniales Wohlwollen“ und ein „Manifest der Macht“ nennt sie es, wenn Greta Thunberg auf der Klimakonferenz 2019 ihre Redestimme an sechs Aktivistinnen des Globalen Südens abgibt, weil sie (die Autorin) sich (zu Recht!) darüber ärgert, dass Journalisten von SZ, Welt und Zeit in ihren Zeitungen dann lediglich Thunberg und keine der sechs anderen Frauen zitieren. Thunberg brächte damit letztlich die Menschen „zum Schweigen“, denen ihre Stimme eigentlich helfen soll. Als hätte Thunberg Einfluss darauf, was Journalisten so schreiben! Kartal wertschätzt zwar deren gute Absichten, merkt aber gar nicht, wie sie diesen wichtigen, unterstützenden Akt der Stimmweitergabe diskriminiert. Das ist nicht nur an den Haaren herbeigezogen und eine tragische Fehleinschätzung, die mir deutlich macht, wie viele fortschrittliche Kampagnen von Menschen unterminiert werden, die immer noch selbst an ihren eigenen lebenslangen Diskriminierungserfahrungen leiden und den „eigenen Leuten“ in den Rücken fallen: Kartal ist es, die hier von „Destroy White Supremacy“, also VorMachtStellung, spricht. Für mich ist das ein fataler Irrtum: Solidarität bedeutet Einheit – und das ist auch eine Aufforderung, über sich selbst hinauszuwachsen. Mit egozentrischem oder missgünstigem Kleinkrieg macht man jede noch so wichtige und richtige Kampagne kaputt. Die eigene Stimme jemand anderem zu geben ist ein Geschenk – und das tritt Kartal mit diesem Artikel einfach in die Tonne...
Dagmar Dorsten, Berlin
Gratulation!
Als eine der vermutlich ältesten (frühesten) taz-Leserinnen gratuliere ich Ihnen zu Ihrem Entschluss und der Ausgabe der heutigen Zeitung. Den Artikelschreibern wünsche ich allerbesten Erfolg.
Ursula Wilmsmeyer, Hamburg
Überbevölkerung
Ich finde es gut, dass die taz eine ganze Ausgabe nicht professionellen Schreibern zum Klima geöffnet hat. Aber nicht ein einziger Beitrag hat thematisiert, dass eines der Kernprobleme die unvorstellbar riesige Anzahl an Menschen auf dem Globus ist. Wir diskutieren über alle möglichen Beiträge zum Klima, vom Auto bis zur Gesellschaftsform, aber niemand nennt das Naheliegende: Weniger Menschen verursachen weniger Schäden. Gäbe es weltweit nur die Hälfte alle Menschen (in Deutschland, den USA, Indien, Nigeria und überall) bei ansonsten gleicher Wirtschaft, hätten wir nur die Hälfte an Klimagasen, Mülldeponien, Flächenverbauch und, und, und... Ich mache mir keine Illusionen über die Schwierigkeiten und Implikationen einer solchen Frage, aber in einer taz-Ausgabe mit dem Anspruch einer umfassenden Thematisierung hätte ich hierzu einen Beitrag erwartet.
Horst Löffler, Köln
Gratulation!
Rundum gelungen, verständlich und nie selbstgefällig. Besonders lobenswert: der Kommentar „Hier könnte Ihre Werbung stehen“. Hoffentlich hat die taz-Redaktion was draus oder dazugelernt und nicht nur einmalig wohlwollend zurückgesteckt. Erfreulich auch der differenzierte Blick auf sich selbst in der „Polemik“: Hören wir auf, uns „Aktivist*innen zu nennen!
Renate Gatz, Gau-Algesheim
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