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Fast eine Reise

Die dokumentarische Filmreihe „un.thai.tled“ im Sinema Transtopia bietet entlang politischer Themen einen seltenen Einblick in das thailändische Kino

von Fabian Tietke

1893 wurde in Thailand die erste Eisenbahnstrecke eingeweiht. Mit der Eröffnung verbanden sich große Hoffnungen auf Prosperität und Fortschritt. In Nut Srisuwans Dokumentarfilm „Railway Sleepers“ verweben sich zu Beginn Geschichte und Gegenwart des Zugfahrens in Thailand. Kaum ist der Zug aus dem Bahnhof ausgefahren und hat die Hühner und Hunde am Bahnsteig zurückgelassen, hebt eine Stimme an und evoziert die Zeiten des Bahnreisens, als der Dampf der Lokomotive in den Tunneln noch sichtbare Spuren auf den Gesichtern der Reisenden hinterließ.

Fotos zeigen den technischen Wandel des Bahnfahrens, Dampfloks und elektrische Triebwagen. „Railway Sleepers“ beobachtet über den Zeitraum von acht Jahren das Treiben in thailändischen Zügen. Die Reisenden, die sich unterhalten, dösen oder beten, und zwischen ihnen der nicht enden wollende Strom von fliegenden Händler:innen, die Snacks, Spielzeug oder kühle Handtücher feilbieten.

„Railway Sleepers“ läuft am Samstag im vor knapp drei Wochen neu eröffneten Sinema Transtopia im ehemaligen Haus der Statistik. Der Film ist Teil einer Reihe mit dem etwas unglücklichen Wortspiel „un.thai.tled“ als Titel, die sich zum Ziel gesetzt hat, neue Blicke auf Realitäten und Repräsentationen in Thailand zu werfen. Das Programm, das Sarnt Utamachote und Rosalia Namsai Engchuan, selbst Filmemacher, zusammengestellt haben, ist stark von Dokumentarfilmen geprägt, die in sehr unterschiedlichen Modi auf die politischen Realitäten Thailands blicken.

Die Eröffnung am Mittwoch etwa widmet sich dem Thema Tourismus: Anocha Suwichakornpong und Ben Rivers kontrastieren in „Krabi, 2562“ die Perspektiven von Einwohnern und Touristen in der als Reiseziel beliebten Provinz Krabi in einem Spiel dokumentarischer und fiktionaler Elemente. „Krabi, 2562“ lief unter anderem auf den Festivals in Locarno und Toronto.

Am Tag darauf wird „Karaoke Girl“ präsentiert, der erste Langfilm von Visra Vichit-Vadakan von 2013, über ein junges Mädchen, das vom Land in die Stadt kommt und in der Sexarbeit landet. Weiterhin gibt es ein Programm mit einer filmischen Bestandsaufnahme südostasiatischer Migration in die BRD. „Westwärts: Südostasiatinnen in der BRD“, gedreht von der „Foundation for Women“, porträtiert eine in Trennung lebende Thai, eine Ex-Prostituierte und eine illegal lebende philippinische Hausangestellte. Im Anschluss gibt es eine Diskussion mit dem Berliner Frauenprojekt Ban-Ying.

Jai Sang Lod flieht als Kind mit seiner Familie vor den Kämpfen zwischen birmesischen Streitkräften und der Minderheit der Shan in ein Auffanglager an der Westgrenze Thailands. Nach dem Tod der Mutter leistet er Militärdienst bei der Shan State Army, dem bewaffneten Arm der Unabhängigkeitsbewegung der Shan. Dokumentarfilmregisseur Nonthawat Numbenchapol porträtiert Jai Sang Lod in „Soil Without Land“ während dessen Training in der Miliz. Schon Nonthawat Numbenchapols Regiedebüt „Boun­dary“ beschäftigte sich 2013 mit einem Grenzkonflikt Thailands. Damals handelte es sich um die Grenze zwischen Thailand und Kambodscha.

Neben den Langfilmen laufen auch zwei Kurzfilmprogramme. Das erste zeigt drei Filme aus dem „Deep South Youth Filmmakers“-Projekt, in dem die Regisseurin Pimpaka Towira Kindern und Jugendlichen im Süden Thailands Film als Medium, sich auszudrücken, nahe bringt. Das zweite Kurzfilmprogramm widmet sich der Darstellung Bangkoks.

„un.thai.tled“ lädt entlang politischer Themen und Diskurse ein, sich dem thailändischen Kino und dem Land selbst zu nähern. Da dieses Kino jenseits von Festivals weitgehend unsichtbar bleibt, ist die Filmreihe eine Einladung, die man gerne annimmt.

un.thai.tled Filmfestival, 23. 9. bis 2. 10. im Sinema Transtopia

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