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wochenschnackDer Bismarck von Hamburg

Das Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark auf St. Pauli ist frisch saniert worden – doch was soll jetzt mit ihm geschehen in einer Zeit, in der anderswo Kolonialstatuen gestürzt werden?

Frisch gekärchert: der Bismarck von St. Pauli Foto: Christian Charisius/dpa

Schlappe acht Millionen Euro

Anstatt sich über die Sanierung des Bismarck-Denkmals in Hamburg aufzuregen, die nur schlappe acht Millionen Euro kostet, sollte man sich lieber über die „Prachtbauten“ in Hamburg echauffieren. Die Elbphilharmonie hat 866 Millionen Euro gekostet und das nächste Bauprojekt – der „Elbtower“ – ein 200 Meter hohes Hochhaus, soll bis zu eine Milliarde Euro kosten. Wie viele Sozialwohnungen man für eine Milliarde Euro in Hamburg bauen könnte, das frage ich jetzt mal nicht. Die Reichen feiern ihren Reichtum in solchen Prachtbauten und die Armen werden obdachlos. Es gibt immer mehr obdachlose Menschen, die den steigenden Mietpreisen zum Opfer fallen – aber die können ja dann am neu sanierten Bismarck-Denkmal übernachten.

Ricky-13, taz.de

Denkmal als PR-Aktion

Es wäre ja nun ein Leichtes gewesen, in die Historie zu schauen und dazustellen, dass das Denkmal von Anfang an als eine einzige PR-Aktion gedacht war, um Hamburg und nicht Bremerhaven zum größten Hafen des Deutschen Reiches und vor allem zum Freihafen zu machen. Das Denkmal hatte NIE etwas mit echter Verehrung für Bismarck zu tun. Suryo, taz.de

Gängiges Schulwissen

Recht kontraproduktiv, wenn die taz nur weiße Menschen zur Bedeutung Bismarcks befragt, aber nicht diejenigen aus den BPoC-Communities, die Bismarcks Kolonialpolitik aktuell und schon immer zurecht kritisieren. Mit wenig mehr Recherche hätte André Zuschlag sicherlich auch herausgefunden, dass es seit 2009 Kritik an der geplanten Aufhübschung/Sanierung des B-Denkmals gibt, in der Presse wie auch aus postkolonialen Initiativen.

Leider wird im Artikel wie auch in den Kommentaren immer wieder gängiges Schulwissen über B. reproduziert, häufig gebetsmühenartig. Und in der Tat, so funktionieren genau die hartnäckigen kolonialen Mythen, die Denkmäler umwehen. Es wird Zeit, dass die Schulen ihre Lehrpläne ändern.

Wir sollten in der Debatte das Hamburger B-Denkmal und die historische Person B. trennen.

Zur Person B.: Er hat aktive Europa-Politik in Afrika betrieben, und zwar lange vor der Berliner Afrikakonferenz 1884/85, bei der der afrikanische Kontinent unter den westlichen Mächten aufgeteilt wurde. Die gängige Bismarck-Forschung ist leider blind auf diesem Auge, und es wird Zeit, weiter in die Tiefe zu forschen. Konkrete Anhaltspunkte über B.s Involviertheit in der Kolonialpolitik gibt es genug.

Zum Hamburger B-Denkmal: Es hat herzlich wenig mit der historischen Person B. zu tun. Es ist eine Kreation der Hamburger großbürgerlichen Kolonialkaufleute als Dank für neue Hafenanlagen, den lukrativen Freihafen und den Zollverein mit Preußen. Als der Kaiser im Zuge seiner Flottenpolitik begeistert rief: „Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser!“, war dies Musik in den Ohren der hanseatischen Handelsherren. Das Denkmal ist ihr Dank dafür, dass es in der Kasse klingelte.

taz nord | Stresemannstraße 23 | 22769 Hamburg | briefe@taz-nord.de | www.taz.de

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Was die „Kolonialbewegung“, die mindestens bis 1945 aktiv war, aus der Erinnerungskultur machte: Kranzniederlegungen vor dem Denkmal. Heute umgibt sich die AfD gerne mit B-Büsten. Das sollte uns nicht egal sein. Emilia Regina, taz.de

Nix am Hut

Irgendwann wird auch die antikoloniale Bewegung mitbekommen, dass Bismarck mit Kolonialismus nix am Hut hatte und wird sich anderen Denkmälern zuwenden. Bis dahin saniert man die Denkmäler einfach schön weiter. DiMa, taz.de

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