: Mit der Stromrechnung subventioniert
ENERGIE Stromkunden in Deutschland bezuschussen mit jeder Rechnung die Industrie. Eine Umverteilung in Milliardenhöhe
BERLIN taz | Durch großzügige Sonderregeln sind Teile der Industrie von den Kosten von Klimaschutz und Energiewende befreit. Auf 10 Milliarden Euro im Jahr summieren sich die Privilegien laut einer Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Beispiele:
■ EEG-Umlage: Auf jede Kilowattstunde Strom, die in Deutschland verbraucht wird, wird momentan ein Aufschlag von 3,59 Cent erhoben – rund 14 Prozent der Rechnung. Mit dem Geld wird Strom aus erneuerbaren Energien bezuschusst. Im Jahr 2011 waren laut Bundesumweltministerium (BMU) 592 Unternehmen davon befreit, hauptsächlich aus der Chemie-, Papier, Metall- und Stahlindustrie. Die Zeche zahlen die anderen Verbraucher. Ab 2013 werden weitere Unternehmen befreit. Kosten im Jahr 2011 laut BMU: 2,2 Milliarden Euro. Absurdestes Beispiel: der Braun- und Steinkohlebergbau, der 2011 um satte 100 Millionen Euro entlastet wurde.
■ Netze: Strom fließt bekanntlich durch Netze. Normalerweise zahlt jeder Kunde dafür eine Gebühr. Nicht aber sogenannte energieintensive Unternehmen, die mindestens 7.000 Stunden im Jahr Strom beziehen und dabei mindestens 10 Gigawattstunden verbrauchen. Das ist fast 3.000-mal so viel wie ein Durchschnittshaushalt. Bisher mussten solche Unternehmen, mit Blick auf internationale Konkurrenz, deutlich weniger Netzgebühren zahlen. Seit 2012 sind sie sogar komplett befreit. Jährliche Kosten: 300 Millionen Euro, zu tragen von den restlichen Stromkunden.
■ CO2-Emissionen: Fast ganz Europa versucht, den Ausstoß von Klimagasen zu senken. Bis 2020 sollen es 20 Prozent weniger sein als 1990. Das Prinzip dabei: Jedes Land erfasst sämtliche Betriebe ab einem bestimmten Mindestverbrauch von Energie. EU-weit sind es über 11.000. Jedes Unternehmen bekommt dann das Recht, bestimmte Mengen an Klimagasen kostenlos auszustoßen. Beim BMW-Werk 7 in Leipzig sind es im Jahr 2013 beispielsweise 20.614 Tonnen CO2, im Jahr 2020 nur noch 7.731 Tonnen. Schafft BMW keine Reduktion, muss es sogenannte Emissionszertifikate hinzukaufen. Der Clou: Unbemerkt von der Öffentlichkeit haben sich in Brüssel eine Reihe Unternehmen von dieser Pflicht befreien lassen. Viele haben in der Vergangenheit sogar zu viele Zertifikate bekommen und durch deren Verkauf an andere Geld verdient. Einnahmen im Jahr 2011: 1,1 Milliarden Euro laut Bundesregierung. Immerhin müssen Kohlekraftwerke künftig mehr Zertifikate kaufen. INGO ARZT