Kritik der Woche
: Hannover für Miesmacher

Frauen an der Leine haben lange Beine, hier gibt es den Lago Maschiore, die höchste Garten-Fontäne Europas, das weltgrößte Schützenfest. Das superlative Gutschigutschi langweilt total. „Hier, ihr Miesmacher!“ titelt die Blöd, nennt 33 Gründe, wieso „Hannover spitze ist“ – und reagiert so reflexartig auf eine Studie, die sich mit dem Image der spröden Niedersächsin befasst. Das halten wir für Sommerloch-Bockmist, weil die Studie gar nicht zu dem Schluss kommt, dass die Stadt „zum Bersten langweilig“ (Karl Marx), nur eine „Autobahnabfahrt zwischen Göttingen und Walsrode“ (Harald Schmidt) und ihre Bewohner “Emotionsverstecker“ (Die Zeit) seien.

Vielmehr, so hat das Medieninstitut Aserto (natürlich aus Hannover) beim Studieren von 90 Zeitungsartikeln herausgefunden, prägen heute nicht mehr Pauschalismen à la „nichts ist doofer als Hannover“, sondern eine gewisse Altersmilde die Berichte, quasi die „Liebe auf den zweiten Blick“. Die Stadt sei in ihrer „Andersartigkeit“ einfach nur „einzigartig“,verkündet Doris Schröder-Köpf per FTD, die FAZ findet, hier sei „ein Ort für Einheimische“. Ja: Das ist fast noch öder als die Niki-Grotte.

Immerhin: In der Synopse der schönsten Zitate hat sich die Studie unschätzbare Verdienste erworben. So stellte schon der Philosoph Theodor Lessing fest, „zwischen den nüchternen Rübenfeldern ein langes Leben verbracht“ zu haben. Die besten Quotes stammen aus der Hochzeit des Abmeierns, der Expo. „Du gabst den Berlinern das Brandenburger Tor und den Bundeskulturminister, den Bayern das Olympiastadion und Uschi Obermaier, aber wir haben hier nur Nebel und depressive Schafe und die Stadt Hannover, die eigentlich gar keine Stadt ist; Herr, was soll das geben?“, ließ die Süddeutsche damals die Niedersachsen fragen.

Einen zweiten Wipfel erklomm das Häme-Barometer, als der Kanzler hier vor zwei Jahren urlaubte: „Hannover, so wird gern über die niedersächsische Landeshauptstadt gespottet, liegt nicht nur an der Leine. Es liegt vor allem an den Hannoveranern“, schrieb die Welt, man brauche „sich nicht die Mühe zu machen und nach Sehenswürdigkeiten zu suchen. Am besten man bleibt zu Hause. Das schont auch das Nervenkostüm“, der Tagesspiegel. Von der „besten Umsteigestadt in Deutschland“ schwärmte die Berliner Zeitung. Hannover, das ist eben „die Stadt everybody loves to hate“ (taz).

Kai Schöneberg