: Wenn Tiere die taz übernehmen
Was Corona mit uns „macht“, warum wir sacht aus den Homeoffices kommen und was Eulen damit zu tun haben
Von Ulrike Winkelmann
Geht es in der taz ums Konferenzwesen, werden die Begriffe schnell zoologisch: „Wir brauchen noch eine Spinne, und eine Eule wäre auch gut.“ Zum Verständnis: Eine „Spinne“ ist ein Telefon, über das mehrere Leute gleichzeitig telefonieren können. Die Telefonspinne (namensgebend ist hier nicht die Anzahl der Beine, sondern die Vorstellung des gesponnenen Netzes) liegt auf dem Tisch, sodass mehrere Menschen hineinsprechen können. Eine „Eule“ ist eine digitale Kamera mit digitalen Ohren, die ebenfalls auf dem Tisch sitzt und sich bei einer Konferenz der Person zuwendet, die gerade spricht. Ihr Bild kann dann an die übertragen werden, die per Video zugeschaltet sind.
Genau, zugeschaltet – denn der Großteil der Redaktion sitzt zu Hause, die anderen im taz-Gebäude. Und das wird kommende Woche neu sein: Der Plan ist, dass wir uns zur großen Redaktionskonferenz wieder teilweise physisch treffen wollen, im „gemischten“ Konferenzmodell – natürlich mit allen Coronaregeln. Wozu hat die taz schließlich eine so leistungsfähige wie ökologische Belüftungsanlage?
Beinahe ein halbes Jahr ist es her, dass die taz ihre Treffen und Gespräche ins Netz verlegt hat. Die Redaktion, sie wurde für die meisten KollegInnen zum Spielfigurenbrett mit mittelprächtig ausgeleuchteten Köpfen oder auch schwarzen Kästchen – nur mit Namen oder gar einem anonymen Code – auf dem Monitor.
Zu Beginn der Videokonferenz-Ära stellte sich bei vielen bald Zoom fatigue ein: eine gewisse Erschöpfung, wenn das Hirn auf alle Begleitinformationen verzichten muss, die sprachliche Kommunikation atmosphärisch ergänzen. Inzwischen aber haben die meisten von uns auch die Vorteile der neuen Gesprächsart erkannt. Da gibt es zum Beispiel ein neues Bemühen um Effizienz. Das berühmte Gesetz: „Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem“, ist (meistens) aufgehoben. Auch eine – wenn auch technisch erzwungene – Rücksicht stellt sich ein: Weil Wortmeldungen nicht immer sofort wahrgenommen werden, gibt’s eine Viertelsekunde Pause, bevor der Nächste spricht.
Gleichzeitig ist aber beinahe jeder Vorteil doch auch ein Nachteil: Das kann schon sein, dass in der Videokonferenz knapper, sorgfältiger, gewählter gesprochen wird. Aber was ist mit den hin und her fliegenden Ideen, die wir doch brauchen, den Wortwechselspielen, wenn ein Gefrotzel das nächste ergibt – und am Ende entsteht ein genialer Titel der Zeitung von morgen?
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Nicht von ungefähr findet es besonders mancher Seite-1-Redakteur schade, dass kaum jemand mehr im dritten Stock quasi im Vorübergehen einen Vorschlag für die Schlagzeile einstreut. Den TitelmacherInnen fehlen die Konferenzen, wo im gemeinsamen Herumstehen Ideen gesammelt und gesiebt werden können. Kreativität, dieses merkwürdige Ding, entsteht eben eher dort, wo auch einmal was Unbedachtes, vielleicht auch nur Halblautes gesagt werden kann. Und das passiert in Videokonferenzen eben seltener, die Befangenheit ist größer.
Daher jetzt also der Versuch gemischter Konferenzen: Im Konferenzraum sammeln sich so viele, wie coronamäßig eben hineindürfen, und alle anderen, die entweder zu Hause arbeiten oder an ihren Arbeitsplätzen im taz-Gebäude bleiben, werden zugeschaltet, mit Spinnen, Eulen und so weiter. Wird nicht ganz leicht für die Moderatorin – meistens ist es eine von uns Chefredakteurinnen –, dann noch zu sortieren, wer sich wann gemeldet hat. Wir werden üben müssen. Wenn’s nicht klappt, brauchen wir entweder noch mehr Technik – oder wir denken uns etwas anderes aus.
Ulrike Winkelmann war seit den 90er Jahren bei der taz, die letzten sechs Jahre aber beim Deutschlandfunk in Köln. Seit dem 1. August ist sie – mit Barbara Junge – Chefredakteurin der taz.
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