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Querdenker unterm Mehlsack

Von unserer Kontext-Redaktion↓

Oberschwaben: Mit besonderer Freude widmet sich Kontext immer wieder dieser Region, in der die Menschen angeblich am glücklichsten sind. Das hängt auch mit dem eingeborenen Anarcho Made Höld zusammen, der uns mit Nachrichten versorgt, die vorzugsweise in der Gaststätte „Räuberhöhle“ umgeschlagen werden. Zuletzt waren die „Querdenker“ dran, die sich unter dem Mehlsack, so heißt das Ravensburger Wahrzeichen, breitgemacht hatten. Ausgerechnet am Rutenfestsonntag, der Heiligenstatuts hat – und wegen Corona ausgefallen ist (Kontext berichtete).

Und zwar erst zum fünften Mal seit 1645. Das wissen wir, seitdem uns Korres­pondent Höld ein Video zugeschickt hat, in dem sich drei Herren 15 Minuten lang unterhalten. Wobei nur die letzten fünf wirklich interessant sind.

Das Trio besteht aus dem Vorsitzenden der Rutenfestkommission, Dieter Graf, dem bundesweit bekannten Corona-Kritiker und Parteigründer („Widerstand 2020“) Bodo Schiffmann sowie dem nicht ganz so bekannten „Querdenker“ ­Daniel Langhans aus Ulm. Alle drei wandern durch die Ravensburger Rutenfesthalle, in der jener Graf erzählt, wie „schwierig, schlimm und schrecklich“ die Lage ist. Nicht jene der Corona-Kranken, sondern seine, die verbunden ist mit dem Schicksal der Schausteller, Zuckerwatteverkäufer und der Schüler, denen das Trommeln verwehrt wird. Das wiederum findet der neue Youtube-Star Schiffmann derart empörend, dass er sofortiges Handeln verlangt. Die Stadt müsse „auseinanderbrechen“, sagt der HNO-Arzt aus dem badischen Sinsheim zu dem oberschwäbischen Festlesheimer, dessen Staunen noch größer wird, als der Doktor erzählt, dass er gerade mit Eva Herman in Kanada telefoniert habe, die dort „in Grund und Boden gestampft“ werde. (Für Nichteingeweihte: die Ex-„Tagesschau“-Sprecherin soll dort eine rechte Kolonie im Sinn haben). Jetzt gelte es durchzuziehen, schnarrt Schiffmann, auf Persönlichkeiten wie Herman zu bauen („unsere einzige Chance“) und durchzuhalten.

Widerworte sind von Graf nicht zu vernehmen, stattdessen kommt der Wunsch nach einem baldigen Wiedersehen, und so wird aus dem seit 20 Jahren amtierenden Festkönig eine Figur, die selbst von der „Schwäbischen Zeitung“ („Entsetzen in Ravensburg“) und der SPD zum Rücktritt aufgefordert wird. Eine Figur, die den Schultes der Stadt „sehr unglücklich“ macht, und von Sozialminister Manfred Lucha verdächtigt wird, sich an Rechts­radikale ran zu wanzen. Das ist Graf nicht mal passiert, als vor fünf Jahren ein ganz besonderes Gebäude sein Rutenfestabzeichen schmückte: die ehemalige NSDAP-Parteizentrale.

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