: Foltern, bis der Gefangene gesteht
Der Chef der Teheraner Justiz legt einen Bericht über die Zustände in iranischen Gefängnissen vor. Darin ist von eklatanten Menschenrechtsverletzungen die Rede. Mitglieder der Untersuchungskommission bekommen nicht zu allen Knästen Zutritt
VON BAHMAN NIRUMAND
In iranischen Gefängnissen sind Folter und eklatante Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Das geht aus dem Bericht einer Untersuchungskommission hervor, den der Chef der Teheraner Justiz, Abbas Ali Alizadeh, am Sonntag vorgelegt hat. Wochen zuvor hatte der oberste Justizchef, Ayatollah Schahrudi, von inakzeptablen Zuständen in den Haftanstalten gesprochen und eine Kommission unter dem Vorsitz Alizadehs beauftragt, einen Bericht zu erstellen.
Die Liste der Menschenrechtsverletzungen, die der Bericht aufzählt werden, ist lang: Der Gebrauch von Augenbinden und das Schlagen von Gefangenen sei nach wie vor üblich. Häftlinge seien über längere Zeit ohne Prozess und ohne Anwalt festgehalten und unter Folter zu Geständnissen gezwungen worden.
Die Kommission hatte mehrere Gefängnisse und Gewahrsameinrichtungen besucht. Ein Polizeikommandeur habe zugegeben, dass „in einigen Fällen“ Gefangene geschlagen worden seien, sagte Alizadeh der Nachrichtenagentur Isna. Im Redjai-Schahr-Gefängnis, westlich von Teheran, sei man einer 74-Jährigen begegnet, die seit vier Monaten festgehalten wurde, weil sie eine Hypothekenzahlung für ihr Haus nicht habe leisten können. Eine andere Frau habe berichtet, inhaftiert worden zu sein, weil ihr flüchtiger Mann unter Verdacht stehe, Heroin geschmuggelt zu haben.
Im selben Gefängnis warteten 1.400 Gefangene auf ihren Prozess. Eine Reihe von Frauen hätte dort Selbstmord begangen. Die Kommission untersuche auch Fälle von Vergewaltigungen junger Mädchen und Frauen in Haftanstalten. Die Gefängnisleitung habe versucht, die Fälle zu vertuschen. In einem anderen Gefängnis in Varamin sei ein dreizehnjähriger Junge sechs Tage unter schlimmsten Bedingungen festgehalten worden, weil er ein Huhn gestohlen hatte.
Der Bericht spricht von unterschiedlichen Gefängnissen, die ohne Wissen und unabhängig von der Justiz, den Geheimdiensten, der Polizei, den Streitkräften und paramilitärischer Organisationen unterstehen. Zu manchen dieser Gefängnisse sei der Kommission der Zutritt verweigert worden. In einer Haftanstalt, die den Revolutionswächtern untersteht, wurde den Mitgliedern der Kommission gesagt, selbst weit höherrangigen Leuten als dem Teheraner Justizchef, würde der Zutritt nicht erlaubt.
Diesem Zustand müsse ein Ende gesetzt werden, sagte Alizadeh. Die Gefängnisse müssten zusammengelegt werden. Irans Verfassung verbiete jede Art von Folter. Niemand dürfe mit Gewalt zu Geständnissen gezwungen werden. Die Kommission werde trotz Drohungen „mutig“ ihre Arbeit fortsetzen. Es dürfe nicht sein, dass, wie geschehen, ein Unteroffizier am Flughafen vier Männer festnimmt und sie wegen Fotos in einem Familienalbum ins Gefängnis steckt.