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Zwei Herren im Bad

Dick aufgetragene Ölschichten und niedliche Nackte: In der Hamburger Fabrik der Künste beschäftigen sich der Bildhauer Clemens Heinl und der Maler Christopher Lehmpfuhl mit Wasser

Von Falk Schreiber

Der Mensch kommt aus dem Wasser. Und irgendwann will er dahin auch wieder zurück, daher das Glücksgefühl, wenn wir uns der Küste nähern, die Begeisterung über Strand und Wellen, auch die Popularität von Wasser als Sujet in der Kunst. Besonders originell ist es also nicht, wenn die Hamburger Fabrik der Künste den Bildhauer Clemens Heinl und den Maler Christopher Lehmpfuhl unter der Überschrift „Am Wasser“ ausstellt, andererseits passt das schon: Einerseits, weil das Gezeigte eben zweifellos immer wieder auf das Wassermotiv zurückgreift, andererseits, weil der Ausstellungsort im von Kanälen durchzogenen Hamburg-Hamm ja wirklich ein Ort am Wasser ist.

Lehmpfuhl, geboren 1972 in Berlin, trägt dick auf: Seine Gemälde sind geprägt von fetten Ölschichten, die sich wurstgleich über die Leinwand ziehen. Wenn er so Wasserflächen malt, dann stellt er eine grundsätzlich beunruhigende Naturgewalt dar, sein Meer ist immer aufgewühlt, die Wellen drängen immer Richtung Ufer.

Bei „Brodter Steilküste“ (2015) etwa mag das passen, der Blick auf ein Haus am Kliff, den Abhang und einen einsamen Wanderer am Ostseestrand ist von berührender Expresssivität, ein Stürmen und Wogen, das weit über die Zweidimensionalität hinausreicht. Andernorts ist die Vorliebe für die aufgepeitschte See seltsam ortsenthoben: „Abendlicht an der Krummen Lanke“ (2020) etwa kommt ebenfalls sehr windig daher, aber wer den zumeist friedlich dümpelnden See Krumme Lanke im Berliner Grunewald kennt, fragt sich schon, ob solch eine expressive Darstellung korrekt ist.

Die Figuren necken sich spielerisch und weil eine auch noch eine Badekappe trägt, erinnert das ein Stück weit an Loriot

Andererseits: Lehmpfuhl kokettiert mit dem Naturalismus, tatsächlich aber führt seine Malerei weg vom bloßen Abbild, hin zu einer Feier der Bewegung, die von den einander immer wieder überspülenden Wassermassen in seinen weit ausholenden Pinselstrich zu führen scheint. Und die das vorgeblich naturalistische Küstengeschehen unmerklich in Richtung Abstraktion verschiebt. Das Ergebnis ist dann ein Gemälde wie „Strand am Abend“ (2020), in dem man durch ein Hochhaus noch die brüllende Hässlichkeit mancher schleswig-holsteinischen Ostseeküstenorte zu erkennen glaubt, das aber bei genauer Betrachtung nur noch aus ein paar grauen Strichen besteht, nicht mehr deutbares Architekturmittelmaß in Nebel und Sturm.

Fremdkörper sind hier ein paar Aquarelle jüngeren Datums – „Ostsee am Abend“ etwa oder „Krumme Lanke“ (schon wieder!), wo eine Rudererin friedlich ihre Runden durch mächtiges Grün zieht. Und das die Ausstellung motivierende „Farbbaden“, ein Gemeinschaftswerk von Lehm­pfuhl und Heinl, in dem zwei lebensgroße Holzfiguren in farbigen Schlieren versinken. Als Beschreibung hat das etwas Düsteres, aber weil die Figuren sich spielerisch necken und weil eine auch noch eine Badekappe trägt, erinnert das ein Stück weit an Loriot. Herren im Bad.

Heinl, geboren 1959 im fränkischen Schwabach, schafft realistische Holzskulpturen, meist grob aus dem Material geschlagen und zurückhaltend eingefärbt – das erinnert ein wenig an die neoprimitiven Arbeiten Stephan Balkenhols, hat aber hier einen Hang zum Niedlichen. Gezeigt werden Freude am Spiel, zweckfreie Nacktheit, Organik, als Ergebnis entsteht dann eine Figurengruppe wie „Wassergymnasiasten“ (2014). In seiner anatomischen Genauigkeit ist das nicht uninteressant, lässt aber die Individualität vermissen, die Lehmpfuhl in seinen Gemälden immer wieder erreicht.

Allerdings traut sich auch Heinl an Ausreißer wie „Undine“ oder „Atlantikschwimmerin“ (beide 2020): Die bronzierten Kunststofffiguren mit kalt starrenden Glasaugen zeigen, dass hinter dem Niedlichen und dem Spaß dieser Arbeit noch eine zweite Ebene liegt, eine Bereitschaft zur Beunruhigung, die jenseits der handwerklichen Virtuosität liegt.

Kuratorisch mag „Am Wasser“ konventionell bleiben, künstlerisch reizvoll aber überraschungsarm. Und doch hat die Ausstellung Charme: weil sie Ausbrüche aus der Konvention zeigt, kleine Schlenker, die der präsentierten Kunst Charakter verleihen. Weil es schlicht interessant ist, Leute zu beobachten, die ihr Handwerk beherrschen. Und weil der Blick aufs Wasser nicht zuletzt reines Glück bedeutet.

„Christopher Lehmpfuhl und Clemens Heinl. Am Wasser“: bis 27. 9., Hamburg, Fabrik der Künste

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