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Archiv-Artikel

Prügel-Befehl für Genuas Polizei: „Sie dürsteten nach Blut“

ITALIEN Ein verurteilter Polizist enthüllt die Details des Überfalls auf die Diaz-Schule beim G-8-Gipfel 2001 in Genua. Die Polizeiführung habe sich mit der Gewaltorgie rächen wollen

ROM taz | Elf Jahre nach dem blutigen Sturm der Sicherheitskräfte während des G-8-Gipfels im Juli 2001 auf die Diaz-Schule in Genua erhebt ein damaliger Spitzenbeamter schwerste Vorwürfe gegen die nationale Polizeiführung.

Vincenzo Canterini, Ex-Chef der römischen Bereitschaftspolizei, war erst vor vier Wochen vom Kassationsgericht in Rom zusammen mit 15 weiteren Polizeiführern wegen der Prügelorgie gegen die in der Schule schlafenden G-8-Gegner verurteilt worden. Er erhielt fünf Jahre Haft und wurde umgehend aus dem Polizeidienst entfernt. Jetzt packt er aus – mit dem Buch „Diaz“.

Die Polizei habe bei ihrem nächtlichen Einsatz am 21. Juli 2001 einen „wissenschaftlich geplanten“ Repressions- und Racheakt gegen die Gipfelgegner vollstreckt, schreibt Canterini. Nach zwei Tagen heftigster Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften – die am 20. Juli im Todesschuss auf Carlo Giuliani kulminiert waren – habe die gesamte in Genua anwesende Polizeiführung diesen Sturm auf die Schule organisiert. Damit habe sie der Weltöffentlichkeit zeigen wollen, dass sie am Ende gegenüber dem „Schwarzen Block“ die Oberhand behalten habe.

Zugleich wirft Canterini der nationalen Polizeiführung vor, systematisch die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft behindert und die wahren Täter der Prügelorgie gedeckt zu haben. So sei bis heute nicht aufgedeckt worden, wer in letzter Instanz den Einsatzbefehl gegeben habe; zudem seien die wahren Akteure der Prügelorgie mit Tonfa-Schlagstöcken ausgerüstete Zivilbeamte gewesen, deren Identität bis heute ungeklärt sei.

Mehrere Hundertschaften hatten damals Dutzenden wehrlosen Protestierern Knochenbrüche, Lungenperforationen und Schädeltraumata zugefügt. Mehrere Opfer schwebten über Tage in Lebensgefahr. Zudem wurden alle 93 in der Schule Aufgegriffenen, unter ihnen zahlreiche Deutsche, als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung verhaftet und später teilweise verurteilt.

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