piwik no script img

Archiv-Artikel

Umstrittener Mieterschutz

Fehlbelegerabgabe für Sozialwohnungen soll weichen

Die so genannte Fehlbelegerabgabe ist umstritten, seitdem es sie gibt – das Land Nordrhein-Westfalen führte sie im Jahr 1981 ein. Mieter von Sozialwohnungen, deren Einkommen eine festegelegte Grenze überschreitet, sollten demnach einen finanziellen Ausgleich erbringen. NRW-Bauminister Oliver Wittke (CDU) will der Sache ein Ende bereiten: „Die Abgabe hat sich überlebt“, sagte er. Die schwarz-gelbe Landesregierung wird die Fehlbelegerabgabe abschaffen. Gerade im sozialen Wohnungsbau gebe es massive Leerstände, sagte Wittke zur Begründung. Im strukturschwachen Norden des Ruhrgebietes gibt es einen Leerstand von 15 bis 20 Prozent. Auch auf der rechten Rheinseite in Köln, der „Schäl Sick“, ergreifen Mieter die Flucht.

Mietervereine unterstützen die Abgabe bisher, obwohl sie zu Lasten ihrer Klientel geht. „Die Subventionen für den sozialen Wohnungsbau landen beim bedürftigen Mieter, und wenn dieser nicht mehr darauf angewiesen ist, beim Staat“, sagt Aichard Hoffmann vom Mieterforum Ruhr.

Die Fehlbelegungsabgabe steht andererseits in dem Ruf, Mieter, deren Anspruch auf einen Wohnungsberechtigungsschein erlischt, aus den Sozialwohnungen raus zu treiben und so die Ghettoisierung ganzer Viertel voranzutreiben. „Eine Studie der alten rot-grünen Landesregierung beweist das Gegenteil: Die Fluktuation bei Leuten, die in Sozialwohnungen leben und später über die Einkommensgrenze rutschen, ist deutlich geringer als im übrigen Wohnungsmarkt“, so Aichard Hoffmann. Mit ein Grund hierfür dürfte sein, dass die Kaltmiete plus Fehlbelegerabgabe die ortsüblichen Mietkosten nicht übersteigen darf.

Ob CDU und FDP mit ihrer Forderung zur Abschaffung der Abgabe durchkommen, ist unsicher. „Bislang hat sie alle Prozesse überdauert“, sagte Aichard Hoffmann. Ein höchstrichterliches Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1989 sagt sogar, dass die Fehlbelegerabgabe verfassungsmäßig „ausdrücklich geboten“ sei. Auf dem Weg zur Deregulierung des nordrhein-westfälischen Wohnungsmarktes ist dies nur ein kleines Problem für die neue Landesregierung: die Privatisierung öffentlich geförderter Wohnungen und die Lockerung des Kündigungsschutzes sind bereits beschlossene Sache.

HOLGER PAULER