: Kunstpreise für Künstlerateliers
Der Senat hat viel Geld in Ateliers gesteckt mit der Auflage, sie nur an Künstler zu vermieten. Die finden mittlerweile billigere Bleiben. Deswegen wurde die Auflage gestrichen. Grüne kritisieren „Missbrauch von Fördergeldern“
Eine familiengerechte Atelierwohnung mit Arbeitsraum im Turmzimmer mitten im Scheunenviertel für wenig Miete? Ein frisch saniertes Studio zum Fördermietpreis in Friedrichshain? Hört sich nicht schlecht an – doch diese Angebote gibt es wirklich, wenn auch nicht auf dem freien Mietmarkt. Sie stammen aus der aktuellen Ausschreibung der Atelierförderung des Senats. Insgesamt hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung seit 1995 den Umbau von 315 Ateliers und Atelierwohnungen bezuschusst, damit deren Eigentümer sie an Künstler und Künstlerinnen zu „Vorzugspreisen“ vermieten können.
Einen Haken gibt es aber doch: Die vorgeschriebenen Mieten der geförderten Ateliers betragen durchschnittlich 7 Euro warm pro Quadratmeter. Sie liegen damit zum Teil weit höher als das, was derzeit am freien Markt gezahlt wird. Für viele der Ateliers finden sich deshalb keine Mieter. Deshalb hat der Senat nun bei 57 der über 300 geförderten Objekte die Zweckbindung für die Eigentümer aufgehoben. Sie können die Räume nun an jeden – und eben nicht nur an Künstler – vermieten, obwohl sie zuvor öffentliche Fördergelder kassiert haben.
Als eine typische „Berliner Absurdität“ bezeichnet Oliver Schruoffeneger die Tatsache, dass die vom Land mit viel Geld geförderten Flächen letztendlich für Künstler teurer sind als frei finanzierte auf dem allgemeinen Mietmarkt. Noch absurder findet der haushaltspolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus aber die Lösung des Problems: „Statt von den Eigentümern der Ateliers zu verlangen, dass sie die Mieten herabsetzen, werden sie nun auch noch mit der Aufhebung der Belegungsbindung belohnt.“ Die Investoren, die diese Ateliers entwickelten, müssten nun zumindest ihre Fördergelder zurückzahlen, fordert er. Denn sie hätten von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zum Teil erhebliche Baukostenzuschüsse und zum Teil auch verbesserte Kredit- und Zinsbedingungen erhalten.
Wolf Schulgen, Leiter der Abteilung Wohnungswesen bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, bestätigt, dass im Rahmen des Programms „Soziale Wohnungsbauförderung“ Ateliers bezuschusst wurden. Was die Aufhebung der Zweckbindung angeht, die mit den Eigentümern zumeist bis zum Jahr 2018 vertraglich festgelegt wurde, verweist er aber auf den Kultursenat. „Sobald die Objekte fertig sind, übergeben wir sie der Kulturverwaltung und haben nichts mehr damit zu tun“, sagt er.
Die Kulturverwaltung wiederum hat die Vergabe dieser Objekte an das Atelierbüro des Berufsverbandes der Bildenden Künstler (BBK) übertragen. Der BBK entscheidet, wer in ein Atelier einziehen darf, und überwacht auch deren Belegungsbindung. Interessenten, die sich für die Angebote bewerben, müssen beispielsweise dem BBK nachweisen, dass sie ausschließlich von ihrer Kunst leben.
Wegen des hohen Leerstandes in Berlin und dem damit einhergehenden Preisverfall bei den Mieten habe man aber in über 50 Fällen keine Bewerber finden können, berichtete der BBK der Kulturverwaltung, die dies in ihren „Evaluationsbericht über die Atelierförderung in Berlin“ vom vergangenen Februar aufnahm. Um die leer stehenden Ateliers überhaupt an den Mann zu bringen, hob der BBK die Einschränkung, sie nur an Künstler zu vergeben, in diesen Fällen auf.
Tatsache ist: In der Stadt gibt es etwa 100.000 leer stehende Wohnungen und über eine Million Quadratmeter ungenutzte Gewerberäume. Klar, dass die Mieten speziell für Gewerbe dadurch dramatisch gefallen sind. Auf dem freien Markt gibt es derzeit Angebote für weniger als drei Euro warm pro Quadratmeter. Noch Anfang der Neunzigerjahre lagen die Gewerbemieten in Berlin teilweise über 15 Euro – damals war die Atelierförderung ein wichtiger Standortfaktor. Die Kreativen sollten schließlich in der Stadt gehalten werden.
Insgesamt leben und arbeiten nach Auskunft der Kulturverwaltung in Berlin etwa 4.000 bis 5.000 bildende Künstlerinnen und Künstler. Nur 5 Prozent von ihnen erzielen mit ihrer Kunst ein Einkommen, von dem sie leben können – auch weil es in der Stadt, im Gegensatz zu anderen Metropolen, keinen florierenden Kunsthandel samt zahlungskräftiger Klientel gibt.
„Es gibt jedoch noch immer einen erheblichen Bedarf an billigen Arbeitsräumen in begehrten Gegenden“, sagt der Grüne Schruoffeneger. Die Atelierförderung sei daher eine gute Sache und müsse beibehalten werden.
Tina Hüttl