piwik no script img

Archiv-Artikel

Schon wieder so‘n Betonbunker!

SAKRALES In der Kulturkirche bietet sich am Wochenende die letzte Gelegenheit, theologisch inspirierte Bremer Nachkriegsarchitektur in ihrer Vielfalt zu bewundern

von Henning Bleyl

Der Countdown läuft: Nur noch bis Sonntag ist die Ausstellung „Leichtes Zelt und feste Burg“ über Sakralbau in Bremen nach 1950 in St. Stephani zu sehen – und wer‘s verpasst, hat tatsächlich was verpasst. Denn abgesehen von einem spannenden Architekturkaleidoskop verschiedenartigster Kirchenbauten, kann man diese Ausstellung auch als kulturpolitisches Statement goutieren: Wir schätzen die Qualität der Nachkriegsmoderne hoch – höher jedenfalls als das benachbarte Bistum Hildesheim, wo derzeit zahlreiche Nachkriegskirchen zum sakralen Abschuss, respektive zur Umnutzung per Verkauf frei gegeben werden.

„Die Ausstellung ist ein Dokument gegen die Stimmungsmache“, sagt denn auch Louis-Ferdinand v. Zobeltitz, ehemaliger Schriftführer der Bremer Evangelischen Kirche und bald auch ehemaliger Projektmanager der Kulturkirche St. Stephani. Auch er selbst habe da einen Erkenntnisprozess durchgemacht, bekennt v. Zobeltitz – doch die Meinung, „schön sind die Kirchen aus dem Mittelalter, das andere ist doch eigentlich nichts oder schlimmer als nichts, ein Betonbunker“, sei allgemein noch weit verbreitet.

Betonbunker? „Es gibt ganz wunderbare Sichtbetonkirchen aus den 60er Jahren“, betont Eberhard Syring, wissenschaftlicher Leiter des Bremer Zentrums für Baukultur (b.zb), das die Ausstellung erarbeitet hat. Zum Beispiel: Die eiförmige St.-Lukas-Kirche in Grolland, die Carsten Schröck 1964 in einer bemerkenswerten Hängeseilkonstruktion gebaut hat. Oder die Dietrich-Bonhoeffer-Kirche, ebenfalls von Schröck errichtet, deren steile Zähne den Himmel über Huchting aufreißen.

Von Zobeltitz wäre nicht so etwas wie ein Bremer Beinah-Prälat, wenn er nicht so bedeutende Äußerungen wie diese formulierte: „Die Kirchen zeichnen das Geheimnis ihrer Transzendenz in der säkularen Stadt architektonisch nach.“

Zumindest im ganz Konkreten macht der Satz Sinn: Bei den katholischen „Ausstellungsteilnehmern“ lässt sich sehr genau nachvollziehen, wie sich die jeweilige theologische Überzeugung in Beton manifestiert – so bei St. Hedwig in der Neuen Vahr, die 1963, also just während des II. Vatikanischen Konzils von Burlage und Niebuer gebaut wurde. Begreift man die Gemeinde als tätige Teilnehmer an der Liturgie? Wo muss dann der Altar hin? Auch entsprechende Umbauten, die architektonische Umsetzung gewandelter Überzeugungen, lassen sich an den katholischen Nachkriegsbauten hervorragend nachvollziehen.

Nun heißt die Ausstellung nicht umsonst „Sakral-“ statt Kirchenbau. Mit dabei ist also auch die 1999 von Asur Yilmaz und Coban gebaute Fatih-Moschee in Gröpelingen, auch die anthroposophische Michael-Kirche an der Salvador-Allende-Straße darf sich in ihrer Le Corbusier-Artigkeit präsentieren.

Warum aber fehlt der auffällige Adventisten-Bau am Osterdeich? „Die Auswahlkriterien waren rein architektonischer Natur“, versichert v. Zobeltitz. Insgesamt 75 Bauten haben die baufachliche Hürde genommen. Eine bemerkenswerte Anzahl, die in St. Stephani nach Stadtteilen geordnet zu besichtigen ist.

Nicht zuletzt macht die Ausstellung auch auf einen recht handfesten Zusammenhang aufmerksam: Der Bremer Kirchenbau-Boom der Nachkriegszeit hängt nicht nur mit tatsächlichem und eingebildetem Bevölkerungswachstum zusammen, sondern auch mit reichlich vorhandenem Geld: In den 60er Jahren beispielsweise waren die Kirchensteuern noch deutlich höher als heute – allein 1966 wurden zehn Kirchen in Bremen eingeweiht.

Ein Besuch in St. Stephani zeigt: Zumindest unter architektonischen Aspekten haben sich die Investitionen gelohnt.

■ Bis Sonntag, tgl. 11-18 Uhr, Kulturkirche St. Stephani