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Archiv-Artikel

Ein irrwitzig perfekter Auftritt

SIEBENKAMPF Während Lilli Schwartzkopf nach dem Wettkampf verschwitzt aussieht, lächelt Jennifer Ennis wie auf einem ihrer Plakate

„Ich glaube, das wird die nächste Generation erwecken“

JENNIFER ENNIS, OLYMPIASIEGERIN

AUS LONDON ANDREAS RÜTTENAUER

Da ist sie wieder. Die Königin von London lächelt. Jeder in Olympialand kennt dieses Lächeln der besten Siebenkämpferin der Welt. Sendet sie gleich wieder eine ihrer Botschaften? „Ich glaube, das wird eine ganze Generation erwecken.“

Nein, sie ist es nicht selbst. Es ist nur ein Werbeplakat von Adidas. Egal. Jennifer Ennis ist omnipräsent, sie ist flächendeckend plakatiert. Keine der britischen Sportlerinnen stand vor ihrem Wettbewerb so unter Druck wie sie. „Es war ein schöner Druck“, sagt sie nach ihrem fabelhaften Start-Ziel-Sieg, nach ihrer persönlichen Bestleistung, die ihr die fest eingeplante Goldmedaille eingebracht hat.

Sie steht in der Interviewzone unter dem Olympiastadion. Ist sie echt? Nach sieben aufreibenden Wettbewerben sieht sie aus wie auf den unzähligen Plakaten.

Die Professionalität der 26-Jährigen ist erschütternd. Wenn ein Fotoapparat auf sie gerichtet wird, strahlt sie, wenn jemand mit ihr redet, lächelt sie.

Während die After-Show-Party der Jennifer Ennis nach dem finalen 800-Meter-Lauf mit der Ehrenrunde eingeläutet wird, steht noch nicht fest, wer hinter ihr Zweite geworden ist. Lilli Schwartzkopf diskutiert mit einer Kampfrichterin, die sie zunächst disqualifiziert hatte. Schwartzkopf sieht dabei so aus, wie eine Sportlerin für gewöhnlich nach einem Siebenkampf aussieht. Verschwitzt, die Haare ein wenig in Unordnung. Sie sieht echt aus – im Gegensatz zur Siegerin, die die heftigen Diskussionen nicht mitbekommen hat.

Mit ihrem ganz persönlichen Jennifer-Ennis-Union-Jack bestreitet sie die Ehrenrunde. Es ist ihr Tag. Er wirkt wie inszeniert. War hier wieder Danny Boyle am Werk? Dabei weiß auch Ennis, dass nicht immer alles perfekt laufen kann. In Peking fehlte sie verletzt, bei der WM vor einem Jahr verlor sie Gold, weil sie mit dem Speer nicht richtig zurechtgekommen ist. Da war sie bereits die große Botschafterin der britischen Leichtathletik.

Als Patin eines privaten Sportförderprogramms machte sie Reklame für die Wettbewerbe auf Bahn und Feld. Der britische Finanzjongleur und Sportnarr Barre Wells hat nach den Spielen von Peking einen Fonds von umgerechnet 2,5 Millionen Euro gestiftet, mit dem er 21 Sportler fördert. Er ist so etwas wie der Dietmar Hopp des englischen olympischen Sports. Ennis war eines seiner ersten Projekte.

Als Gegenleistung müssen die geförderten Athleten in Schulen gehen und Reklame für das Sporttreiben machen. Und hier hat wieder der Satz seinen Platz, den Ennis am Samstagabend so oft gesagt hat: „Ich glaube, das wird die nächste Generation erwecken.“ Bei aller Freude über ihre Goldmedaille vergisst sie nie ihre Rolle als Sportbotschafterin. Ein irrwitzig perfekter Auftritt.