: Der neue Kronprinz im Medienreich
GRAUE HERREN Rupert Murdoch ist mit 78 Jahren zwar längst noch nicht in Rente – überlässt aber seinem jüngsten Sohn James schrittweise die Spitze seines Medienkonzerns. Eine neue Biografie gibt Einblicke in das Machtgefüge des Murdoch-Clans
VON STEFFEN GRIMBERG
Es werden harte Zeiten für Gordon Brown: Der britische Premierminister und seine Labour Party müssen ab sofort ohne die Unterstützung von Rupert Murdoch auskommen. Dessen Londoner Massenblatt Sun entzog ihnen nach zwölf Jahren Treue die Unterstützung. Sogar die Nackerte von Seite drei setzt auf den Kandidaten der Tories bei der spätestens im Frühjahr anstehenden Wahl: „David Cameron is the man“, flötet Keeley Hazell.
Entscheidungen von solcher Tragweite fällt bei der Sun – wie auch bei den anderen Zeitungen im weiten Medienreich des gebürtigen Australiers – natürlich nicht die Chefredaktion, sondern ein Murdoch höchstpersönlich. Allerdings muss man ab sofort die Frage stellen: Welcher? Denn neben dem mittlerweile 78-jährigen Senior Rupert rückt sein jüngster Sohn James (36) immer stärker in Richtung Spitze der News Corporation, die die medialen Geschäfte der Murdochs auf fünf Kontinenten bündelt.
Und während Rupert laut der eben erschienenen Biografie „Der Medienmogul“ des Vanity Fair-Journalisten Michael Wolff „weiterhin Gordon Brown mag“, weil der „konservativ im Sinne Murdochs ist, das heißt frei von Allüren und irgendwelchen Schnörkeln“, ist James dagegen von David Cameron gefesselt, „dem coolen, schicken ehemaligen PR-Burschen der Tories, von dem Murdoch senior wusste, dass er ihn, wie widerstrebend auch immer, würde akzeptieren müssen“.
Das gilt ein bisschen auch für James Murdoch selbst, der quasi erst als dritte Wahl zum Kronprinzen im Familienunternehmen aufstieg, das in der Familie Murdoch ganz selbstverständlich als „Imperium“ beschrieben wird. Zuvor galten zunächst seine Schwester Elizabeth und danach sein Bruder Lachlan als die geborenen Nachfolger. James, dem jüngsten Spross aus Murdochs zweiter Ehe, der sein Studium an der US-Eliteuniversität Harvard abbrach und lange Zeit vom Vater weit weg vom Newscorp-Machtzentrum an den Rändern des Konzerns eingesetzt wurde, schien dagegen eine eher untergeordnete Rolle zugedacht. Doch nun ist James obenauf. Er ist zuständig für das Europa- und Asiengeschäft und damit auch für Murdochs Aktivitäten in Großbritannien, wo ihm neben den Zeitungen Sun, Times und News of the World auch Europas erfolgreichstes Pay-TV-Unternehmen BSkyB gehört. Und auch für Deutschland, wo sich das von Murdoch kontrollierte Bezahlfernsehen konsequenterweise eben von Premiere in Sky umbenannt hat.
Ob er den deutschen Medienmarkt, auf dem sein Vater in den 1990er-Jahren als Partner von Bertelsmann bei Vox oder von Kirch bei früheren Pay-TV-Abenteuern Millionen verlor, besser durchschaut? – Eher nicht. Doch fällt das bei seinen sorgsam dosierten Auftritten hierzulande nicht wirklich auf. „Selbstsicherheit ist etwas, das James von Natur aus besitzt“, schreibt Wolff, der sich zu langen Interviews mit Rupert Murdoch und allen vier erwachsenen Murdoch-Kindern traf: „Er ist der Wortgewandteste der ganzen Familie, eigentlich der Einzige, der sich zu artikulieren weiß.“ James spreche nicht nur, „er gibt Erklärungen ab. Alles, was er sagt, klingt herausfordernd, ja bedrohlich. Er will sich duellieren, streiten, korrigieren, belehren, die Oberhand haben.“
So präsentiert sich James Murdoch auch Anfang Juni in Berlin. Auf Einladung des ZDF tagt eine illustre Runde im großen Sitzungssaal des Hauptstadtstudios. Privatsenderbosse und Medienunternehmer geben sich ein Stelldichein, ein bisschen Politik ist auch dabei. Nur der Director General der BBC muss kurzfristig absagen, wegen der Spesenaffäre im britischen Parlament steht die Regierung auf der Kippe.
Doch auch wenn sein Lieblingsfeind nicht da ist, geht James Murdoch sofort zum Angriff über, macht sich lustig über die Klagen des reichen öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ihm würden die Gebühreneinnahmen wegbrechen, und wirft den Verlegern Mutlosigkeit im Internet vor: Denn die Nutzer seien durchaus bereit, für Onlineinhalte zu bezahlen, ruft Murdoch. Am Beispiel der Musik sehe man doch, wie das funktioniert. Die meisten Zeitungsverleger beklagten dagegen, dass die Menschen im Internet nicht für Informationen bezahlen wollten – „ohne dass jemals ernsthaft versucht wurde, sie wirklich bezahlen zu lassen“.
Den Rest regelt der Markt. Je liberaler, desto besser.
Solche Töne, die James Murdoch ein paar Wochen später beim traditionellen Edinburgh Television Festival mit noch kühneren Vorwürfen Richtung britischer BBC wiederholt, sind natürlich ganz nach dem Geschmack des Vaters. Doch trotzdem wird der mit James nicht wirklich warm, schreibt Wolff: Denn das Bedrohliche, das von Rupert, dem alten Cowboy, ausgeht, „ist bei James in eine Art programmatische, einem Automaten ähnliche, sorgfältig gepflegte Attitüde mutiert“. Er umgebe sich „mit einer Koterie von gleich alten, gleich aussehenden Koautomaten. Und aus seinem Mund quillt superabstraktes Geschäftsgerede, ein Satz nach dem anderen“.
Da ist Murdoch senior, der das schüttere Haar unvorteilhaft selber färbt und eher hemdsärmelig und vom Jetlag geplagt durch sein über den ganzen Globus verstreutes Medienreich fliegt, aus anderem Holz geschnitzt. Und erfolgreicher: Wie schon in den 1980er-Jahren bei der Londoner Times gelang es ihm 2007, gegen den Willen der Besitzerfamilie Bancroft das Wall Street Journal zu übernehmen. Einen solchen Coup hat James noch längst nicht vorzuweisen. Doch Rupert denkt auch im Traum noch nicht daran, abzutreten: Mit seiner dritten Frau, Wendi Deng, hat er zwei Töchter, die noch nicht mal im Teenageralter sind. Und in Australien, am Stammsitz der Murdochs, wacht Ruperts Mutter, Dame Elizabeth Joy Murdoch, über den Clan. Im Februar hat sie ihren 100. Geburtstag gefeiert.
■ Michael Wolff: „Der Medienmogul“. 576 S., 24,99 Euro