berliner szenen
: Andere Pläne in diesem Jahr

Mitten im Satz, inmitten eines Gedankens klingelt es an der Tür. Ich reiße mich los, gehe in den Flur und drücke auf. Von unten ruft es: „Postwurf!“

Wieder am Schreibtisch ist der Satz weg, der Gedanke verschwommen. Als ich beides wiederfinde, klingelt das Telefon. Ich beschließe, es zu ignorieren. Andere Leute sind auch grad nicht zu Hause. Andere Leute irgendwo auf der Welt. Mir fällt ein, dass ich jetzt eigentlich in Italien wäre. So viel zu den anderen Plänen in diesem Jahr. Das Telefon klingelt weiter. Ich frage mich, warum die Mailbox nicht anspringt, und gehe ran. Ein Gewinnspiel. Ich unterbreche die Frau und bitte sie, mich aus der Liste zu streichen. Sie legt ohne weiteres Wort auf. Ich sehe auf den blinkenden Curser, finde den Gedanken, den Satz, als es wieder an der Tür klingelt.

„Manno“, rufe ich auf dem Weg zur Tür genervt.

Vor der Tür steht eine junge DHL-Botin hinter einem sperrigen Paket. Sie macht große Augen. Ich nehme an, sie hat mich gehört. Ich lächle sanft.

„Entschuldigung, würden Sie etwas für Ihre Nachbarn annehmen?“, fragt sie. „Es ist sehr schwer.“

„Okay“, sage ich. Sie hebt das riesige Paket an und stellt es mir auf die Schwelle.

„Vielen Dank, ich lege einen Zettel in den Briefkasten“, sagt sie und ist schon die Treppe herunter. Ich will das Paket anheben und bekomme es nicht hoch. Das gibt’s doch nicht, denke ich und versuche es noch mal. Das Paket rührt sich nicht. Ich quetsche mich zwischen Paket und Tür und schiebe mit Bein und Hüfte, bis es in die Wohnung kippt, dann setze ich mich auf die Schwelle, halte mich am Türrahmen fest und drücke mit beiden Beinen dagegen.

Da kommt mein Nachbar H. die Treppe hoch. „Alles gut bei dir?“ Er guckt interessiert.

„Alles gut“, sage ich knapp. „Ich arbeite grad.“

Isobel Markus