: Richtig guter Stoff
Das Internet gilt deutschen Journalisten immer noch als reines Textmedium – andere sind da sehr viel weiter
Wenn ein Space-Shuttle abhebt, dann wackelt der Boden, qualmen die Triebwerke und ächzt Metall. Richtig guter Stoff für ein audiovisuelles Medium – zum Beispiel fürs Internet. Zwanzig Minuten nach dem Start hieß es dazu am Dienstagnachmittag bei der Netzeitung: „Die Raumfähre Discovery ist planmäßig und sicher ins All gestartet.“ Kein Foto, kein Video, nichts. Ziemlich wenig für eine Internetzeitung.
Für deutsche Medienmacher ist das Internet immer noch in erster Linie ein Textmedium. Multimedia-Angebote findet man so gut wie gar nicht. Audiodateien, Livecams oder Videostücke gibt es nicht. Und das zu einer Zeit, wo selbst der kleinste DSL-Anschluss mehr als 1.000 Kilo-Byte Daten pro Sekunde übertragen kann. Auf tagesschau.de gibt es 20 Minuten nach dem Start immerhin zwei Fotos zu sehen.
Dass das auch ganz anders geht, zeigen zum Beispiel Tag für Tag die BBC und die New York Times. Bei dem Onlineangebot der NYT werden zum Discovery-Start zusätzlich zum Text zahlreiche Fotos und ein Video von den Startvorbereitungen gezeigt. Eine Webcam ist beim Lift-off live dabei. Die BBC hat sogar ein illustriertes Dossier über die technischen Neuerungen an der Raumfähre online gestellt.
Der britische Fernsehsender ist einer der Vorreiter im professionellen Online-Journalismus. Texte werden hier nicht einfach nur im Internet veröffentlicht – die BBC produziert richtige Online-Magazine. Schon vor knapp zwei Jahren stellten die Briten ein Dossier ins Netz, das zeigt, wie’s geht: Unter www.bbc.co.uk/dinosaurs/ begleitete die Online-Redaktion eine Dokureihe des TV-Senders über Dinosaurier. Crossmedia vom Feinsten. Mit Animationen, Videos, Audiobeispielen und schönen Texten.
Außerhalb der Redaktionen hat man aber auch hierzulande bemerkt, dass das Internet mehr kann. Der Leipziger Journalist Johannes Acker bietet Märchen und andere Literaturklassiker als MP3-Hörbücher unter www.vorleser.net zum Download an. Mit 15 Sprechern wird im eigenen Studio laufend Nachschub produziert.
Dass das Internet noch lange nicht auf der letzten Stufe der Multimedia-Entwicklung angekommen ist, zeigte zuletzt Google mit seinem spektakulären Zusatzfeature Google Earth. Das Programm kombiniert die lokale Internetsuche mit einer 3-D-Weltkarte und lässt den Internetsurfer dabei quer über den Globus fliegen. (earth.google.com/). Eine gute Vorlage eigentlich für den nächsten Shuttle-Start.
PHILIPP DUDEK