berliner szenen: Bitte das Spray nicht benutzen
Desinfektionsmittel ist das Sonnenspray dieses Sommers – oder so ähnlich. Zumindest habe ich mir in den letzten Wochen deutlich häufiger die Hände vor irgendwelchen Geschäften desinfiziert als meine Haut mit UV-Schutz eingesprüht. Auch vor oder in den meisten Restaurant stehen sie: Desinfektionsmittel, an die man sich inzwischen schon so sehr gewöhnt hat, dass man dieses Ritual im Vorbeigehen tut. Es gehört nun mal zu diesem Sommer dazu, wie das Eis am Stiel – oder das Stornieren von bereits gebuchten Fernreisen.
Gestern Abend war aber alles anders. Ich wollte mich am Spray im Eingangsbereich eines Restaurants bedienen, als mich der Kellner davon abhielt. „Nicht benutzen“, sagte er fast harsch und wies mir einen freien Tisch zu. Irritiert verzichtete ich auf das Desinfizieren, was ja in vielen Restaurants gar die Voraussetzung zum Platznehmen ist. Da ich keine Freundin von Regeln bin, setzte ich mich, ohne meine Hände nach Vorschrift zu reinigen. Ich kann ja jeder Zeit auf die Toilette gehen und selbst dafür sorgen, dass ich mir vor dem Essen die Hände wasche, dachte ich, also tat ich das auch so. Trotzdem verstand ich nicht, warum der Kellner etwas dagegen hatte, wenn ich mir meine Hände desinfiziere. Besser ist es doch!?
Als mir der Kellner gerade mein Essen brachte, betraten vier Frauen das Lokal und benutzten der Reihe nach das Spray im Eingangsbereich. Neeeein, rief der Kellner und lief zu den Frauen. Übertreibt er jetzt nicht etwas mit seinem Anti-Desinfektions-Kurs?, fragte ich mich und schaute irritiert zum Kellner.
Erst jetzt verstand ich, was sein Problem war. Das Spray im Eingangsbereich, so löste es der Kellner schließlich auf, war gar kein Desinfektionsmittel, sondern ein stinknormales Reinigungsspray, das er zum Saubermachen der Tische benutzte.
Eva Müller-Foell
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen