: Mit den Ölpreisen steigt die Frustration
Der Ölexport aus Tschad über Kamerun bringt den Ölkonzernen viel Geld – nicht aber den Menschen, kritisieren NGOs
BERLIN taz ■ Der Ölexport aus Tschad über Kamerun, der beiden Ländern einen Wirtschaftsaufschwung beschert, kommt den Bevölkerungen der Ölgebiete nicht zugute. Dies kritisieren Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus den beiden Ländern. Der tschadische Gewerkschafter Boukinebe Peugomba Garka, Vorsitzender der tschadischen „Ständigen Erdölkommission“ (CPPN), und Edith Abilogo, kamerunische Journalistin vom „Zentrum für Umwelt und Entwicklung“ in Kameruns Hauptstadt Jaunde, betonen, dass die Bewohner der Dörfer entlang der Ölpipeline aus Tschad nach Kamerun von den Einnahmen nicht profitieren. Versprochene Entschädigungszahlungen für enteignete Grundstücke seien nicht geleistet worden – entgegen den Beteuerungen des Ölkonsortiums aus den Ölkonzernen Esso, Chevron und Petronas.
Das Erdölprojekt Tschad/Kamerun ist eines der größten privaten Investitionen in Afrika. 3,7 Milliarden Dollar, auch von der Weltbank, wurden in Ölförderung und Pipelinebau investiert. Die Regierungen Tschads und Kameruns versprachen im Gegenzug, die Gewinne aus der Erdölförderung in Armutsbekämpfung zu investieren. Die Förderung liegt derzeit mit rund 180.000 Barrel am Tag unter den Prognosen, aber die Einnahmen sind dank der gestiegenen Ölpreise höher.
Wasser verschmutzt
Seit 2003 wird die Ölproduktion von Tschad über die Pipeline an den kamerunischen Ölhafen Kribi exportiert. Beim Bau der Pipeline waren viele Arbeiter verunglückt, und viele der aufgelisteten Arbeitsunfälle sind finanziell noch nicht geregelt, berichten die beiden Zivilgesellschaftler. Die Frage der Trinkwasserversorgung sei ebenfalls nicht geklärt. Viele Trinkwasserlöcher wurden durch den Bau der Pipeline und die Ölüberführung verschmutzt oder ausgetrocknet. Die Bewohner der betroffenen Dörfer müssen seitdem kilometerweit laufen, um Wasser zu holen.
Jedoch hat das Pipelinekonsortium gegenüber der Weltbank eine positive Abschlusserklärung über die sozialen Folgen des Pipelinebaus („Clôture sociale“) vorgelegt. Martin Zint von der deutschen AG Erdöl Tschad/Kamerun, die die zivilgesellschaftlichen Gruppen der beiden Länder unterstützt, erklärt diese Abschlusserklärung als eine Art Verzichtserklärung, die die Dorfbewohner unterschreiben mussten. Mit ihrer Unterschrift bestätigen sie, dass sie gegenüber den Ölkonzernen keine Ansprüche mehr geltend machen. Das Ölkonsortium braucht diese „Clôture sociale“, um der Weltbank zu belegen, dass das Projekt korrekt durchgeführt wurde.
Dorfchefs bestochen
Um die Dorfbewohner zur Unterschrift zu bewegen, wurden nach Angaben von Zint den Dorfbewohnern die Unterlagen ohne genauere Aufklärung und meist mit falschen Angaben vorgelegt. „Unbewusst“ hätten viele unterschrieben, kritisiert Zint, der Dorfbewohner in Kamerun interviewte und mit der CPPN im Januar 2005 eine Untersuchung in 84 Dörfern entlang der Pipeline machte. Als zweite Variante wurden die Dorfchefs bestochen oder bedroht, damit sie für ihr Dorf unterschreiben.
Die Aktivisten aus Tschad und Kamerun wollen nun ihren Bericht über die Nichterfüllung der Verpflichtungen der Konzerne gegenüber der Bevölkerung bei der Weltbank vorlegen. Sie hoffen damit auf eine Überprüfung und auf eine tatsächliche Entschädigung der Betroffenen sowie auf die Beseitigung der negativen Folgen des Ölprojekts. Dabei hoffen Garka und Ebilogo auch auf Unterstützung von der deutschen Regierung.
Kritik kommt auch von der „International Advisory Group“ (IAG), die im Auftrag der Weltbank regelmäßig über den Stand der Ölförderung, die Verwendung der Öleinnahmen und die Entwicklung der Ölgebiete Bericht erstattet. In ihrem jüngsten Bericht von diesem Monat sprechen die IAG-Experten von Unregelmäßigkeiten bei der Weiterleitung von Entschädigungsgeldern im Tschad und verlangen von Kameruns Regierung mehr Transparenz. Insgesamt warnen sie vor einer Tendenz, angesichts der routinemäßigen Aufnahme von Ölförderung und Ölexport die noch ungelösten Folgen des Ölprojekts schleifen zu lassen. „Das endgültige Urteil werden die Bevölkerungen der beiden Länder treffen“, schließt der Bericht. SYLVESTRE DJIOGHO