piwik no script img

Herzerwärmendes aus Wilhelmsburg

„Soul Kitchen“ aus dem Jahr 2009 ist die einzige lupenreine Komödie des Hamburger Regisseurs Fatih Akin. Zu sehen ist sie derzeit wieder in der Arte-Mediathek

Von Wilfried Hippen

Hans Albers singt „Das letzte Hemd hat leider keine Taschen“ und von „La Paloma“ sind sogar gleich fünf Interpretationen im Film versteckt. Ja, auch auf diesem Wege feiert Fatih Akin in „Soul Kitchen“ Hamburg: mit akustischem Lokalkolorit. Ansonsten findet sich, dem Titel angemessen, viel „schwarze“ Musik auf der Tonspur, von Curtis Mayfield und Kool and the Gang, von Louis Armstrong und – doch noch ein Hamburger Jung – Jan Delay. So viel gute Musik hört man selten in einem deutschen Film, da zeigt Akin, was er, neben anderem, von seinem Regievorbild Martin Scorsese gelernt hat.

Apropos Vorbilder: Nach seinen ambitionierten Erfolgsfilmen „Gegen die Wand“ und „Auf der anderen Seite“ gönnte er sich und seinem Publikum mit „Soul Kitchen“ 2009 ausdrücklich eine Komödie. Und so hing, während er am Drehbuch arbeitete, über seinem Schreibtisch ein Poster von Billy Wilder. Geschrieben hatte Akin dieses Drehbuch zusammen mit seinem Kumpel Adam Bousdoukos, der darin eigene Erfahrungen als Betreiber eines Musikclubs und einer Taverne verarbeitete.

Bousdoukos wiederum, der schon 1998 in Akins Debütfilm „Kurz und Schmerzlos“ eine Hauptrolle hatte, spielt auch in „Soul Kitchen“ mit: den Restaurantbesitzer Zinos Kazantsakis. Sein „Soul Kitchen“ betreibt er in einer alten Fabrikhalle im Stadtteil Wilhelmsburg, und am Anfang des Films werden den Stammgästen dort auch Fischstäbchen mit Pommes und Bouletten mit Kartoffelsalat serviert. Das ändert sich, als Zinos den streitbaren Feinschmeckerkoch Shayn (Birol Ünel) engagiert – und richtig los geht es mit dem Ärger, als Zinos Bruder Ilias (Moritz Bleibtreu) auftaucht: ein Strafgefangener auf Freigang. Neben diesen dreien kennt man auch den weißbärtigen Patriarchen Demir Gökgöl und schließlich Akins Bruder Cem aus früheren Filmen des Altonaers.

Man spürt, dass der Regisseur hier vorstellt, was er selbst liebt: sein Hamburg, seine Kumpels, Essen, Trinken und Musik

Überhaupt ist dies Akins Heimat- und sein Familienfilm geworden: Monica Bleibtreu, Moritz’Mutter, spielte eine ihrer letzten Rollen und ihr ist auch der ganze Film gewidmet. Man spürt, dass der Regisseur hier all das vorstellt, was er liebt: sein Hamburg, seine Kumpels, Trinken, Essen und Musik. Die Jungs schlagen über die Stränge und eine traurige Liebesgeschichte muss auch noch dabei sein. Etwas soziale Relevanz wird dann eher nebenbei mit reingeschmuggelt: Wotan Wilke Möhring spielt einen Immobilienhai, der das „Soul Kitchen“ aufkaufen und abreißen will. Doch durch ein typisches Komödienfinale führt die Zwangsversteigerung zum glücklichen Ende.

Arte zeigte „Soul Kitchen“ unlängst in der Reihe „Kulinarisches Kino“, in der sich mit „Bella Martha“ von Sandra Nettelbeck noch ein Hamburger Küchenfilm findet (nächste Ausstrahlung: Donnerstag, 16. Juli, 15.25 Uhr). Der direkte Vergleich legt nahe, dass Akin sich von diesem internationalen Erfolgsfilm wohl inspirieren ließ: Bei Nettelbeck knallt Martina Gedeck als Chefköchin einem Gast, dem das Steak nicht blutig genug ist, ein rohes Stück Fleisch auf den Tisch. Und Akin? Lässt Ünel vor einem Gast, der seine Gazpacho heiß will, ein riesiges Küchenmesser in die Tischplatte rammen.

Soul Kitchen ist bis Ende November in der Arte Mediathek online: www.arte.tv/de/videos/048177-000-A/soul-kitchen/

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen