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Archiv-Artikel

PRESS-SCHLAGBerlin macht sich klein

In Friedhelm Funkel hat die Hertha einen Coach, der zu ihr passt

Am Wochenende haben die Berliner einer ihrer Leidenschaften frönen dürfen: Sie konnten aufschauen zu Riesen. Überdimensionale Marionetten trotteten durch die Stadt. Massen schauten zu. Es war ein Gaudium. Riesen in der Hauptstadt, dem Heim der Berliner Republik, sind ja eine Rarität. Meist kommen sie nur zu Besuch. Oder sie werden schnell auf Normalmaß geschrumpft.

Der Schweizer Fußballtrainer Lucien Favre wuchs in der vergangenen Saison in beachtlichen Wachstumsschüben über sich hinaus. Er war in dieser Zeit ein Großer seines Fachs. Als derjenige weg war, der die Strippen zog, fiel Favre, der sich selbst gar nicht darüber im Klaren war, dass er eine Marionette war, in sich zusammen. Er musste gehen.

Nun hat es die Berliner Hertha mit einem Trainer zu tun, der ist, wie er ist: Friedhelm Funkel. „Ein Kind der Bundesliga“, wie Hertha-Manager Michael Preetz sagt. Funkel ist verdammt normal, weder groß noch klein. Er mag keine Zerrbilder, die Medien oder Fans von ihm machen. Derlei Versuche moderiert er humorlos ab. Das muss nicht schlecht sein, denn so passt er gut zur gegenwärtigen Hertha, die ziemlich weit unten steht in der Bundesliga und ernste Typen für ernste Probleme braucht. Funkel verspricht nicht den großen Wurf, mit ihm will man nur Schlimmeres verhindern. Hertha BSC soll mit Friedhelm Funkel nicht absteigen. Das wäre schon etwas für den Hauptstadtklub, der eigentlich in ein paar Jahren Meister werden und in der Champions League spielen wollte. Die riesenhaften Ambitionen der Berliner sind gestorben, jetzt wird mit Funkel hartes, an der tristen, schuldenschweren Realität orientiertes Alltagsgeschäft betrieben. Dafür ist Funkel, dem der Ruf des Retters vorausgeht, der richtige Mann. Das Gute an der Verpflichtung ist: Hertha versucht nicht mehr das zu sein, was sie nicht ist. Hertha macht nicht mehr auf Parvenü, Hertha macht einen auf Plackerei. Die Ästhetik des Aufstiegs wird nicht mehr von Trainern in Anzügen bestimmt, sondern von einem Mann, der tiefe Furchen im Gesicht trägt, Zeugnisse seiner Leiden im Tabellenkeller.

Hertha BSC, sagt Friedhelm Funkel, sei „einer der besten deutschen Vereine vom Namen her“. Vom Namen her – das soll wohl heißen: Die Verpackung von Hertha BSC verspricht mehr, als drin ist. Funkel wird sich davon nicht verunsichern lassen. Bisher hat er Berlin fast nur positiv erlebt. Mit Uerdingen gewann er das DFB-Pokalfinale. Mit dem MSV Duisburg und Eintracht Frankfurt stand er jeweils als Trainer im Finale. Funkel weiß: Berlin kann richtig riesig sein. Manchmal. MARKUS VÖLKER