piwik no script img

berliner szenenBier am frühen Nachmittag

Der Biesdorfer Badesee war das erste Ausflugsziel der anliegenden Stadtteile, besonders an einem heißen Sommertag am Wochenende. Dort versammelten sie sich: die schon am frühen Nachmittag Bier tranken. Männer mit Kurzhaarschnitten, Frauen mit kalkweißen Beinen, eckigen Fingernägeln und überlangen Haaren. Allesamt tätowiert. Viele mit Hunden, ausgerüstet mit kabellosen Lautsprechern, die wie Coladosen aussahen. Die Kinder mit Chipstüten und Telefonen.

C. ging neben mir, sie lief wie ein angeschossenes Reh, sie zog das linke Bein nach. Hatte sie sich verletzt? Wobei? Als sie sich auszog, an der Stelle, an der wir unsere Picknickdecke ausbreiteten, erschrak ich für einen Moment: Man konnte ihren nackten Oberschenkelknochen sehen, sie war tatsächlich stripped to the bone. Außerdem hatte jemand die Landschaft mit Milchpulver bestreut. Und wie kräftig das Lila dieser Blumen am Wegrand waren! Ich musste einen Sonnenstich haben. Oder war dehydriert. Oder beides.

Ich trank einen Liter Wasser, C. und ich schwiegen uns an, dann versuchten wir uns in einem Verhalten, das Liebespaare hinlegten, wenn sie schwimmen gingen: Wir liefen in den See, bespritzten uns mit Wasser, tauchten uns unter, lachten. Wir sahen eine Ratte, die mit erhobener Schnauze durch den schimmelig grünen Badesee schwamm. Wir rieben uns mit Handtüchern ab und mit Sonnenmilch ein. Wir lästerten über die anderen Badegäste. Die seltsame Distanz zwischen uns aber löste sich nicht auf.

Am Ende des Tages fuhren wir zurück, setzten uns auf ihren Balkon und soffen uns einen an. Aus der Ferne erklangen die Melodien eines Schlagersenders. Als es Zeit wurde, ins Bett zu gehen, war sie so hinüber, dass sie sofort einschlief. Keine zwei Minuten später schnarchte sie. René Hamann

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen