piwik no script img

Archiv-Artikel

Die Jäger der Löffelverbieger

THRILLER In „Red Lights“ erzählt Rodrigo Cortes von einem Team von Wissenschaftlern mit Sigourney Weaver, das parapsychologische Phänomene als Schwindeleien enttarnt

Cortes opfert die präzise Logik seiner ersten beiden Akte einer konventionellen Thriller-Dramaturgie, bei der die Plausibilität bald auf der Strecke bleibt

VON WILFRIED HIPPEN

Wenn in einem Hollywoodfilm mal wieder eine Stimme der Vernunft gebraucht wird, ist die Besetzung offensichtlich. Ist ein Mann gefragt, muss es Morgan Freeman sein und bei den Frauen ist Sigourney Weaver jene Darstellerin, die am glaubwürdigsten Intelligenz und moralische Autorität ausstrahlt.

In dem Horrorfilm „The Cabin in the Woods“, der in einigen Wochen in die Kinos kommt, wird sie im letzten Akt für nur eine Sequenz genauso eingesetzt: Niemand sonst könnte wie sie als „The Director“ in vier oder fünf Sätzen das gesamte menschliche Weltbild in Frage stellen und dabei so gelassen und überzeugend klingen. Und auch die Rolle in „Red Lights“ scheint für sie maßgeschneidert zu sein.

Als die Wissenschaftlerin Margaret Matheson (also ein Kind der reinen Logik) hat sie sich darauf spezialisiert, Vorkommnisse von so genannten übersinnlichen Fähigkeiten zu untersuchen und sie als Schwindeleien zu enttarnen. Dafür bedient sie sich zwar auch neuster wissenschaftlicher Technologie, aber meist reicht ein Blick und wie in dem Fall eines Poltergeistes, mit dem der Film beginnt, eines freundlichen Gesprächs mit der Tochter des Hausherren auf der Veranda, um den Spuk zu vertreiben.

Bisher hat sie noch jedes Rätsel lösen können und ihr Assistent Tom Buckley folgt ihr bewundernd wie ein treues Hündchen. Eine Zeit lang ist es reizvoll, den beiden dabei zuzusehen, wie sie die Tricks der Scharlatane aufdecken. Da hat der Hellseher einen kleinen Sender im Ohr und seine Assistentinnen flüstern ihm ein, was sie über einzelne Besucher der Show herausgefunden haben, die dann baff darüber erstaunt sind, was der Mann auf der Bühne alles über sie weiß. Bei den Operationen mit bloßen Händen spielen rote Flüssigkeiten in Wattebäuschen eine große Rolle und Laborsituationen sind nur so weit kontrolliert, wie die Fantasie eines etwas naiven Akademikers mit einem Lehrstuhl für Parapsychologie reicht.

Doch jeder Holmes braucht seinen Moriarty und so tritt bald der blinde Heilseher Simon Silver (noch ein gut gewählter Name) auf, der nebenbei mit seiner Geisteskraft Löffel verbiegt, vor allem aber alle durch seine dämonische Bühnenpräsenz und seine scheinbar unerklärlichen Fähigkeiten die Menschen in Erstaunen versetzt.

Eine Paraderolle für Robert De Niro, der hier wieder einmal so schön teuflische Grimassen schneiden kann wie in „Angel Heart“ und „Cape Fear“. Er ist endlich ein ebenbürtiger Gegner für Matheson und ihre Gruppe, zu der noch die ehrgeizige Praktikantin Sally Owen stößt, bei der man sich lange nicht sicher sein kann, ob Silver sie nicht als seine Informantin ins Team eingeschleust hat, denn er scheint alle Schritte des Gegners vorauszuahnen.

Bald gibt es auch einen verdächtigen Todesfall und der Film entwickelt eine beachtliche Spannung, verliert dabei aber leider an seinem ursprünglichen Reiz, denn Cortes opfert die präzise Logik seiner ersten beiden Akte einer konventionellen Thriller-Dramaturgie, bei der die Plausibilität bald auf der Strecke bleibt.

Dies ist auch deshalb enttäuschend, weil Cortes sich bei seinem letzten Film „Buried“ nicht so sehr um die Konventionen des Mainstream scherte. Diesen drehte er ausschließlich aus der Perspektive eines lebendig Begrabenen.

In den ersten zwei Dritteln inszeniert er „Red Lights“ mit einem ähnlich konsequenten Eigensinn, doch am Schluss verliert er den scharfen Blick seiner Protagonistin und nutzt genau den im Genre üblichen Hokuspokus, den der Film doch längst hinter sich gelassen zu haben schien.