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Der längste Tag

Früher hatten wir Besseres zu tun, als die Zeit zu messen Foto: privat

Die Zeit, heißt es, die ist ein sonderbar Ding. Ein Tag hat 24 Stunden. Genau genommen stimmt das natürlich nicht. Für die einen ist ein Tag so lang, wie es hell ist, für die anderen endet ein Tag um Mitternacht, und für wieder andere ist der Tag genau dann zu Ende, wenn sie eingeschlafen sind. Am Anfang eines kurzen Tages gibt es Wehmut zum Frühstück, bitte geh nicht, bitte bleib. Am Ende eines langen Tages liegt die Erschöpfung im Bett, und es ist nicht ganz sicher, was nun gestern oder heute war.

Die Zeit ist ein großes und doch ganz alltägliches Geheimnis, heißt es, und die meisten Leute nehmen es einfach so hin. Der längste Tag im Jahr ist so lang oder kurz wie jeder oder kein anderer, solange niemand von ihm erzählt. Aber wer weiß, dass er kommt, kann schon früher mit ihm anfangen, dann beginnt der längste Tag schon Tage vorher, wegen Sehnsucht und Möglichkeit. 24 Stunden könnten alles sein: null Nachrichten, ein See, zwei Kugeln Eis, drei Autobahnabfahrten, vier Prozent Regenwahrscheinlichkeit, fünf Küsse, vielleicht sechs, vielleicht vergisst man zu zählen, sieben Gänseblümchenblüten, durch Gänseblümchenstängel gezogen, machen eine Gänseblümchenkette.

Weißt du noch, damals, als wir Kinder waren? Da hatten wir Besseres zu tun, als die Zeit zu messen, und jeder Tag konnte der längste sein. Lin Hierse

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