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Archiv-Artikel

Die neuen Knappen liegen richtig

Die Bundesliga vor dem Start (Teil II), heute: Schalke 04. Die Königsblauen befinden sich in erschreckender Frühform und schlagen Werder Bremen im Ligapokal mit 2:1. Dabei ist ein Ailton-Nachfolger noch gar nicht gefunden

SCHALKE taz ■ Baustellen? Nein, Baustellen könne er in der Mannschaft nicht erkennen. „Höchstens auf dem Stadiongelände.“ Schalke-Manager Rudi Assauer wich am Mittwochabend allen Fragen zur Personalplanung gewohnt launig und gekonnt aus, sein Team hatte soeben schließlich das Halbfinale im Ligapokal mit 2:1 gegen Werder Bremen gewonnen. Doch das interessierte niemanden so wirklich, obwohl die Schalker dabei überzeugten, mehr sogar: Sie begeisterten die 56.000 Zuschauer in der Schalke-Arena – und dürfen als Lohn dafür nächsten Dienstag das Finale in Leipzig gegen den VfB Stuttgart austragen.

Rudi Assauer wusste das Ergebnis dennoch korrekt einzuschätzen: „Wir haben ein Freundschaftsspiel, okay, vielleicht etwas mehr als ein Freundschaftsspiel gewonnen und uns ein paar Millionen dazuverdient.“ Mehr nicht, findet Assauer: „Leute, es ist der Ligapokal.“ Andererseits: Gerade ein Verein wie Schalke 04 könne das Geld (1,8 Millionen für den Sieger) sehr gut gebrauchen, so der Manager.

Wie groß der Spielraum in Sachen Neuverpflichtungen ist, weiß derzeit niemand. Nimmt man das Ligapokal-Spiel als Maßstab, gibt es zumindest auf den ersten Blick keinen Handlungsbedarf. Die Mannschaft dominierte die gleichstark eingeschätzten Bremer über fast 90 Minuten. Spielerisch und läuferisch befinden sich die Schalker in einer erschreckend guten Frühform. „Für den Anfang war es schon nicht schlecht“, machte Schalke-Trainer Ralf Rangnick bewusst auf Zurückhaltung. Die wirklichen Probleme werden ohnehin erst beim näheren Hinsehen deutlich: „Wir brauchen auf jeden Fall vier Stürmer“, sagte Angreifer Ebbe Sand. Das Programm Bundesliga, Pokal und Champions League ist hart – und Kevin Kuranyi, Gerald Asamoah und Sand sehen sich nach dem Weggang von Ailton überfordert.

Wer auf Ailton folgen könnte, ist indes noch unklar: Sören Larsen befindet sich noch im Streit mit Djurgardens Stockholm. Die Schweden wollen den Dänen nicht freigeben, Schalke will nicht mehr als die festgeschriebenen 1,2 Millionen Euro überweisen. „Es gibt auch andere Möglichkeiten, sich zu einigen“, sagt Rudi Assauer. Das neueste Gerücht bringt den Tschechen Milan Baros ins Gespräch, der FC Liverpool sei angeblich gesprächsbereit. Die Verpflichtung des Niederländers André Oijer scheint hingegen nicht so recht voranzugehen. „Sieht nicht so gut aus“, sagte Trainer Rangnick am Mittwoch, „aber fragen Sie besser Andreas Müller oder Rudi Assauer.“ Sportdirektor Müller war nicht zu sprechen, der Manager sagte: „Wir können dem Trainer nicht jeden Wunsch erfüllen.“ Immerhin den ein oder anderen Spieler wolle man aber schon noch holen.

Wenn möglich zum Nulltarif. Denn die drei Millionen Euro, die der Ailton-Transfer in die klammen Kassen gebracht hat, sollen nicht komplett reinvestiert werden. Zudem warten die Gelsenkirchener Vorstädter noch auf die 500.000 Euro Handgeld, die Ailton, der heute seinen Auflösungsvertrag unterzeichnen soll, den Schalkern zurücküberweisen soll. Die Sommerpause gehört also weiter den Finanzjongleuren – und die Schalker wollen nichts übertreiben. „Zwei Wochen haben wir locker noch“, sagt Assauer. Soll heißen: Die Saison kann auch ohne weitere Neuverpflichtungen beginnen, nur im Verlauf der Spielzeit sollte der Kader schon noch anwachsen.

Dass die Schalker mit ihren Neuverpflichtungen bislang durchaus richtig liegen, deutete der Mittwoch an: Der Ex-Bremer Fabian Ernst ist schon jetzt an der Seite Lincolns der Co-Chef im Schalker Mittelfeld. Nationalstürmer Kevin Kuranyi erweist sich als spielfreudiger Angreifer, nur zum Abschluss kam er noch nicht. Und Zlatan Bajramovic sorgte mit einem auch so gewollten Volleyschuss aus 18 Metern für die Schalker Führung – im Spiel fiel er leider etwas ab.

„Das war schon ganz gut“, sagte Fabian Ernst. Er trat auf, als würde er schon seit Jahren das königsblaue Trikot tragen. Er forderte die Bälle, spielte Pässe aus dem Augenwinkel und grätschte im Mittelfeld alles nieder, was ihm in den Weg kam. Das Publikum begleitete seine Aktionen mit Ovationen. Ob es am ähnlichen Spielsystem der Schalker und Bremer liege, wurde Ernst gefragt? „Auf hohem Niveau tun sich die Teams nicht allzu viel“, sagte Ernst. Es sei immer einfacher, in eine spielstarke Mannschaft zu kommen. Sein Trainer gab das Kompliment gerne zurück. „Ernst und auch Bajramovic wissen, wie es geht“, sagte Rangnick. Bajramovic zum Beispiel stehe schon seit vier, fünf Jahren auf seinem Wunschzettel, doch erst Schalke habe ihm die Möglichkeit geboten, den Bosnier zu trainieren.

Doch nicht nur die Neuen überzeugten. Ebbe Sand, vermutlich vor seiner letzten Saison auf Schalke, profitiert von der Spielweise seines laufstarken Sturmpartners Kuranyi. In der zweiten Hälfte sorgte er per Kopf fürs 2:0. Vorher und hinterher ließ er allerdings mehrere dicke Chancen aus. Und auch Hamit Altintop, zuletzt eher ein unsicherer Kantonist auf der rechten Abwehrseite, zeigte sich verbessert; stark im defensiven Zweikampf – und in der Vorwärtsbewegung ist der Kopf nicht mehr stur auf die eigenen Füße gerichtet. „Hamit kommt das Zweikontaktspiel entgegen“, so Rangnick.

Hört sich alles gut an. Nur die Verletzung von Christian Poulsen störte. Der Däne fällt längere Zeit aus. Doch noch eine Baustelle, auf die die Schalker gerne verzichtet hätten. HOLGER PAULER