SPD hat ihre alten Ideale verraten

betr.: Berichterstattung zur Linkspartei

Die Gründung der neuen Linkspartei hat eine Hetzkampagne ausgelöst, die mit wahrer Begeisterung von den Medien ausgetragen wird. Aufgebrühte Vorwürfe, haltlose Anschuldigungen und Politiker, die so viel von den Grundprinzipien der Demokratie verstanden haben, dass sie sich weigern, mit einem Kollegen am selben Tisch zu sitzen und zu diskutieren, nur weil er eine andere Meinung vertritt. Eine armselige Show, die sich uns da gerade bietet, und die ich kaum noch ertragen kann.

Nicht Oskar Lafontaine hat den Vertrauensvorschuss der Wähler, die 1998 die SPD an die Regierung gebracht haben, gedankenlos verspielt. Nicht er hat den Kurs bestimmt, der dazu geführt hat, dass die SPD sämtliche Landtagswahlen verloren hat, und für die 200.000 Parteiaustritte ist er ganz bestimmt nicht verantwortlich. Wenn man ihm überhaupt einen Vorwurf machen kann, denn dass es ausschließlich seiner Initiative zu verdanken war, dass die SPD es überhaupt an die Regierung geschafft hat. Schon wahr, wäre sie noch in der Opposition, hätte es all diese Probleme nie gegeben, und es würde wohl keine neue Linkspartei geben.

Als alter Anhänger sozialdemokratischen Gedankenguts kann ich nur sagen, dass ich mich bei der Partei, die sich momentan SPD nennt, schon lange nicht mehr zu Hause fühle. Wer wie ich über Jahre hin für die SPD gekämpft hat und trotz der schweren wirtschaftlichen und sozialen Krise, in der wir schon so lange stecken, noch immer an dem Ideal einer größtmöglichen sozialen Gerechtigkeit festhält, ist politisch heimatlos geworden.

Die SPD hat ihre alten Ideale verraten und damit eine große Lücke in die politische Landschaft gerissen. Ob die neue Linkspartei diese Lücke schließen kann, wird sich noch zeigen.

WALTER MICHAELIS, Bad Rappenau/Treschklingen