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Archiv-Artikel

in der taz vor 15 jahren: telefondaten-schnüffelei mit isdn

Wenn es nicht bald zu massiven Protesten von aufgeschreckten Postkunden kommt, wird schon 1994 ein weiteres Stück Orwellscher Vision erschreckende Realität: Komplette Listen von immer mehr Telefonteilnehmern können genau verraten, wer wann mit wem wie lange telefoniert hat. Noch sind von dieser „Kommunikationszählung“ nur die relativ wenigen Postkunden mit einem ISDN-Anschluß betroffen. Aber wenn rund um das Jahr 2000 der digitale Universalanschluß für den „Normalverbraucher“ die Regel wird, dann hinterläßt jeder mit seinen Telefonanrufen für Big Brother eine breite Datenspur. Und wer arglos den Einzelgebührennachweis für seine Telefonrechnung beantragt hat, schluckt schon heute die Einstiegsdroge, die später zum perfekten Kommunikationsprofil werden könnte.

Datenschutzbeauftragte warnen seit Jahren davor, daß die Post unter dem Deckmantel neuer Dienstleistungsangebote zu einem Überwachungsinstrument werden könnte. Schon in naher Zeit werden sich bei den Fernmeldeverbindungsstellen und Gebührenabrechnungszentren riesige Datenberge über das Kommunikationsverhalten von Millionen anhäufen.

Monat für Monat wird dann genau gespeichert, mit wem der ISDN-Teilnehmer zu welcher Uhrzeit wie lange telefoniert hat. All diese Daten werden künftig drei Monate lang „aufbewahrt“. Begründet wird diese Speicherung damit, daß die Postkunden gern eine genaue Aufschlüsselung ihrer Telefonrechnung hätten. Tatsächlich jedoch verlangt bisher gerade einmal ein Promille der Telefonkunden einen Einzelgebührennachweis. Da dieses Promille angeblich aus technischen Gründen nicht herauszufiltern ist, speichert die Post alle ISDN-Teilnehmer. Die vermeintliche Dienstleistung wird zum Kommunikationsprofil.

Anfang März wurden die ersten ISDN-Anschlüsse in der Bundesrepublik feierlich in Betrieb genommen. Bisher gibt es nur 2.000 dieser Universalanschlüsse, meist bei Firmen oder Freiberuflern. Bis zum Jahr 2000, so rechnet die Industrie, werden sieben Millionen Postkunden, darunter drei Millionen Privatleute, ihr altes Telefon verschrottet haben und auf ISDN umsteigen. Und nach der Jahrtausendwende, prognostiziert Regierungsdirektor Horst Alke, Fernmeldereferent beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz, werden sich die Universalanschlüsse ausweiten wie ein Flächenbrand. „Der Zeitpunkt, zu dem es nur noch ISDN-Anschlüsse gibt, ist nicht mehr fern.“

Vera Gaserow, 29. 7. 1990. Derzeit verfügt die Telekom über 26,1 Mio. Analog- und 10,3 Mio. ISDN-Anschlüsse; d. Red.