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Stark zugelegt

Auch beim Münchner Sieg in Leverkusen zeigt Leon Goretzka, wie gut er mit der sterilen Stadionatmosphäre umgehen kann. Sein intensives Krafttraining in der Coronapause zahlt sich aus

Aus Leverkusen Daniel Theweleit

Mit 4:1 führte das Team von Hansi Flick. Doch der Trainer des FC Bayern München kam nicht zur Ruhe. Er hatte einen leicht reduzierten Energielevel bei einigen Spielern wahrgenommen. So etwas kann Flick überhaupt nicht leiden – nicht weil der 4:2-Sieg, den der designierte Meister am Ende bejubeln konnte, noch in Gefahr hätte geraten können; sondern weil Konsequenz und Willenskraft zentrale Wesenszüge seiner Mannschaft sein sollen. Immer. Also kritisierte, brüllte und motivierte der Trainer seine Spieler, mit dem erhofften Effekt: „Die Mannschaft lässt nie nach“, sagte er danach. Und dieser ewige Hunger hat auch damit zu tun, dass im Moment mit Leon Goretzka ein Profi im Zen­trum des Münchner Spiels wirkt, der alles verkörpert, was der Trainer sich vorstellt: taktische Reife, Dynamik, Charakter, Torgefährlichkeit und Willensstärke in jeder Minute und in jedem Spiel.

Die Bayern waren nach einem frühen Treffer von Lucas Alario in Rückstand geraten (9.), in diesem kritischen Moment wurde Goretzka zur großen Autorität im Mittelfeld. Mit einer beeindruckenden Balleroberung und einem sauberen Pass auf Kingsley Coman bereitete der 25 Jahre alte Nationalspieler das 1:1 vor. Das 2:1 schoss er selbst, Flick schwärmte: Diese Wendung sei möglich gewesen, weil sein Team „sehr aggressiv gepresst“ habe und „in die Zweikämpfe reingegangen“ sei. „Und da war gerade Leon bei den ersten beiden Toren maßgeblich beteiligt und hat die Akzente gesetzt, die man, wenn es nicht so gut läuft, braucht.“

Mancher Experte hatte im Vorfeld des Spiels gemutmaßt, dass Goretzka seinen Platz in der Startelf verlieren könnte, weil der Ballvirtuose Thiago von seiner Leistenverletzung genesen war. Aber Goretzka ist im Moment unverzichtbar im Spiel der Bayern. Seine Reife, sein strategisches Geschick und seine Dominanz in den engen Mittelfeldräumen ergeben eine Mischung, die ihn im Moment zum vielleicht besten Spieler der Liga macht. In eher leichten Partien wie dem 5:0 gegen Düsseldorf in der Vorwoche ebenso wie in Topspielen wie nun in Leverkusen. „Wahnsinnig präsent“, sei Goretzka gewesen, sagte Flick nach dem Spiel.

Es gibt viele andere Balleroberer im Mittelfeld, die die Intensität einer brodelnden Atmosphäre brauchen, um in die Grenzbereiche der eigenen Leistungsfähigkeit hineinzukommen. Goretzka kann das auch in der sterilen Atmosphäre dieses Frühjahrs. Man sei „auf sich allein gestellt beziehungsweise auf die Mitspieler angewiesen, die dich puschen“, berichtete er. Beim FC Bayern gelinge es sehr gut, in „diesen Modus Matchday“ umzuschalten. Dass Goretzka, der vor der Saisonunterbrechung Woche für Woche um einen Platz in der Startelf kämpfen musste, nun zumindest vorübergehend in diesen Kreis der Anführer aufgestiegen ist, scheint mit dem Training während der spielfreien Wochen zu tun zu haben.

Während des Shutdowns hat der ehemalige Schalker intensiv an seinem verletzungsanfälligen Körper gearbeitet, hat Krafttraining gemacht. Es birgt immer Risiken, wenn sich Spieler zu solcheinem Schritt entschließen, bei falschen Impulsen drohen Tempo und Beweglichkeit verloren zu gehen. Goretzka hat seine Arbeit an den Gewichten aber im engen Austausch mit den Athletiktrainern durchgeführt. „Ich fühle mich so, wie es aktuell ist, sehr gut. Ich habe nicht irgendwie an Geschwindigkeit verloren, im Gegenteil“, sagt er.

Womöglich ist diese Hintergrundarbeit ein wichtiger ­Aspekt des Erfolgs in diesen entscheidenden Bundesligawochen. Beim großen Konkurrenten in Dortmund kamen die Schlüsselspieler Jadon Sancho, Emre Can und Axel Witsel mit körperlichen Problemen aus der Pause. Die Bayern wirken aber wirken nicht nur ausgeruht und fit wie selten, sondern im Fall von Goretzka sogar stabiler und gesünder. „Das tut uns gut“, sagte Trainer Flick über Goretzkas Form und Fitness und klopfte mit der Faust auf das Podium im Leverkusener Presse­raum, um seiner Hoffnung Ausdruck zu geben, dass es möglichst lange so bleibt.

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