piwik no script img

Zahnstein für Sandalen

Letzte Verschwörungstheorie vor der Autobahn

Mit einem berittenen Boten erreichte die Wahrheit am Vorabend des Feiertags die allerletzte, im Kosmos der Verschwörungsfreunde kursierende Theorie. Unter der Hand weitergegeben hat sie der Schwager eines befreundeten Friseurs, der Polizist ist und bei der Bewachung einer Geheimkonferenz in Berlin am Nebentisch belauschte, wie ein hochrangiger Beamter aus dem Bundesinnenministerium, ein Aktienmakler aus New York, ein Kardinal aus Rom, ein Prominentenwirt aus München und ein Schönheitschirurg aus Paris vereinbart hätten, „an Christi Himmelfahrt wieder Jesu Zahnstein abzubauen“.

Vor rund 2.000 Jahren nämlich hätten die Römer den Mann aus Nazareth nur deshalb ans Kreuz genagelt, um an seine wertvollen Calcium- und Phosphatverbindungen im Mund zu kommen, die seltener als Gold gewesen wären und angeblich den wichtigsten Grundstoff bildeten für die Herstellung der berühmten Römersandale, die noch heute von Bill Gates getragen wird, weil nur auf ihrem Boden die geheime Macht der Sandalenanbeter über die Jahrhunderte hinweg aufrecht erhalten werden könne.

Deshalb wolle der weltweit operierende Geheimbund am Himmelsfahrtstag, dem höchsten Feiertag der sich „Freisandalisten“ nennenden Verschwörer, Zigtausende von männlichen Ausflüglern mit Bier und Pfefferminzlikör narkotisieren, um den Willenlosen eben jenen seltenen Zahnstein abzubauen und in den ewigen Kreislauf der eigentlichen Kraft hinter der Weltregierung einzuspeisen.

Ob der Satan persönlich auch in Sandalen unterwegs sei, wusste der Schwager des Friseurs nicht. Der Polizeibeamte verband aber seine Botschaft mit der dringenden Warnung vor sämtlichen Sandalenträgern, die längst die Weltherrschaft übernommen hätten, was sich insbesondere daran zeige, dass Angela Merkel nie welche trage, um ihre Mitgliedschaft in der globalen Organisation zu verschleiern. Schon Pontius Pilatus hätte damals in Jerusalem der Bibel zufolge vom Balkon aus vor dem klandestinen Fußwerk der Kanzlerin gewarnt: „Ja, watten ditte für’n Scheißschuh?“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen