: Grell bestrahlte Büßerin
Spätgotische Altartafeln, Stilleben von Meléndez und Porträts von de Goya: Das Bucerius Kunst Forum präsentiert derzeit eine große Retrospektive der hierzulande lange unterschätzten spanischen Malerei aus deutschen Sammlungen
von Hajo Schiff
Kühl wirkt die Landschaft im Bildhintergrund, fast nordisch kalt in den weiß gehöhten Blau-Violett-Grüntönen. Und doch vereinigt der Maler wie kein anderer die Spiritualität des Mittelmeers in sich. Aus Griechenland stammend, lernte er beim alten Tizian in Venedig, arbeitete in Rom und ging dann nach Toledo an den spanischen Hof: Die Rede ist von Domenikos Theotokopoulos, genannt El Greco.
Dieses zerrissen gemalte, theatralische strahlende Bild der Maria Magdalena ist Teil der Ausstellung Greco, Velásquez, Goya – Spanische Malerei aus deutschen Sammlungen, dem aktuellen Unternehmen des Bucerius Kunst Forums. Aus einem Katalogisierungsprojekt zum 150. Jubiläum der Eröffnung der Kunstgalerie im Semperbau am Zwinger in Dresden hat sich für Hamburg ein kleines Ausstellungsjuwel entwickelt: In siebzig Bildern von spätgotischen Altartafeln über die Stilleben von Meléndez oder drei, erst 2003 für die Dresdner Kunstsammlungen erworbene, wunderschön abgeschlagene Märtyrerköpfe bis zu de Goyas Porträts ist zur Zeit sonst nirgends in Deutschland ein so konzentrierter Durchgang durch die spanische Kunstgeschichte möglich. Anschließend geht die Ausstellung in die Museen der Hauptleihgeber nach Dresden und nach Budapest. Und in zwei Jahren soll es eine Fortsetzung geben, dann für den Zeitraum „Von Goya bis Picasso“.
Was ist so anders an der spanischen Kunst? Vielleicht ist es der strenge Ernst gezügelter Leidenschaft, die aus dem Dunkel hervorbrechenden roten und weißen Farbsetzungen, das scharfe Bedeutungslicht und die Manierismen fast impressionistischer Überhöhungen und Auslassungen schon im 16. und 17. Jahrhundert.
Doch das deutsche Kunstinteresse richtete sich erst spät auf Spanien, die Beurteilung spanischer Maler war selektiv und schwankend. Im 18. Jahrhundert erfuhr Murillo einiges Interesse, im 19. wurde Velásquez verehrt und mit ihm ein Spanier erstmalig höher geschätzt als die großen Italiener. Die zeitlose Modernität El Grecos dagegen wurde erst an der Schwelle zum 20. Jahrhundert entdeckt: Wie Manet, Cézanne und Picasso sahen Kandinsky und Franz Marc in ihm einen Vorboten ihrer Kunstauffassung. Der handbuchartige Ausstellungskatalog widmet sich übrigens ausführlich der komplizierten Rezeptionsgeschichte spanischer Kunst, die noch dadurch erschwert wurde, dass die Abgrenzung der nationalen Schulen ein theoretisches Konstrukt ist, mit dem die internationalen Biographien in einer höfisch vernetzten Gesellschaft mitunter schwer zu fassen sind. Das gilt besonders für die Beziehungen zwischen Italien und Spanien. So stammte die auch in Hamburg mit einem Bildnis von Francesco de Medici vertretende Sofonisba Anguissola aus Cremona, wurde aber an den spanischen Hof berufen. Anderseits verbrachte der in Valencia geborene Jusepe de Ribera sein ganzes erwachsenes Leben in Neapel, das damals unter spanischer Herrschaft stand.
Ein Maler, der den titelgebenden Künstler-Heroen an Bedeutung kaum nachsteht, ist Francisco de Zurbarán. Sein einst für das Franziskanerkloster in Sevilla bestimmtes großes Bild Der heilige Bonaventura im Gebet zeigt jene Besonderheiten, die dem spanischen Nationalstil zugeordnet werden: religiöse Hingabe als Thema, in abstrahierender Reduktion gemalt, mit sehr dunklen Partien und scharfem Licht in einem extrem kontrastreichen, bühnenhaften Bildaufbau mit fast surrealer Anmutung.
Eine umfassende Präsentation von Goyas Werken ist derzeit erstmals in Deutschland in der Berliner Nationalgalerie zu sehen. Am Hamburger Rathausmarkt wird von ihm unter anderem eine Kampfszene aus den Unabhängigkeitskriegen gezeigt. Dieses Bild befand sich einst in der großartigen Hamburger Sammlung von Konsul Eduard Friedrich Weber, die 1912 in Berlin versteigert wurde, weil die Hamburger Kunsthalle sie als zusammenhängende Stiftung nicht annehmen wollte. Für 20.000 Goldmark ging sie damals nach Budapest.
„Greco, Velásquez, Goya“: täglich 11–19 Uhr, Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt; noch bis 21. August. Begleitbuch 24,80 Euro