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Archiv-Artikel

Liebliche Taubenjagd

Mitten im Kulturverhau: Jonathan Meeses „General Tanz – Drei Streifen für eine Halleluja“ bei Contemporary Fine Arts mischt in durchaus freundlicher Manier ein weiteres Mal die Dinge und die Mythen auf, die unser Leber bevölkern

Bilder, Etageren, Vitrinen. Voll gestopft mit Perücken, Farbe und Damenschuhen. Zusammengestellt von Jonathan Meese in bekannter Manier. „Drei Streifen für ein Halleluja“ ist der Titel der Ausstellung vom Mann in der Dreistreifenjacke. Es ist ein „General Tanz“.

Das beharrliche Wiederauftauchen der gleichen Objekte und Motive, die man bereits aus anderen Ausstellungen kennt, zeigt dass nicht an den einzelnen Gegenständen der Sinn anhaftet, sondern an ihrer Vermengung. Es handelt sich nicht um andächtige Abstraktion, um den neuen elitären Gedanken, sondern immer um Akkumulation. Die prall gefüllten Vitrinen sind eine Analogie zum Nummernkonto, auf das man sein Leben lang einzahlt, ohne die Kontoauszüge zu prüfen noch jemals davon abzuheben. Nur um das Anstaunen geht es, schlau wird man nicht daraus.

An einer Vitrine hängt ein Bild des Künstlers als kampfbereiter, schätzungsweise sechsjähriger junger Mantel und Degenheld mit Schnurrbart und glänzenden Augen. Jonathan Meese hat mittlerweile einen richtigen Bart, aber immer noch glänzende Augen. Glänzende Aussichten auf das Geröll der Empfindungen. Die frei flottierende Sehnsucht und die Posen der Macht mitten im Kulturverhau.

Es stimmt ja nicht, dass nichts los sei, das Leben langweilig, der Frust im Winkel einziger Lebensinhalt. Zu dem es nur langweilige Bilder gibt, mit langweiligen Frauen, die an langen Birkenstämmen lehnen und ein paar graue Tauben füttern. Um diese Wesen aus ihrer sicheren Langeweile aufzuschrecken, muss man nur laut schreien, z. B. „Pimmel“.

„Kultur ist Menschenjagd, unheilbar lieblich“ schreibt Jonathan Meese in seiner Presseerklärung. Er verhält sich wie jemand, der Tauben scheucht auf dem Markusplatz. Er bringt weder Tauben noch Menschen in Gefahr, sie werden immer dort wohnen, aber allerlei Geruckel und Geflatter ist die natürliche Folge seiner Attacken.

Ein Ehepaar in Anzug und weiß abgepaspeltem Kostüm lässt sich Bilder von Meese erklären. Und die Frau faltet ihre Hände immer aufs Neue, wie eine Taube, die sich nicht setzen mag, ihre Flügel nervös faltet und entfaltet. Nun ist es raus, sie rückt am Riemen ihrer Handtasche. Sie will kein Bild kaufen, auf dem Pimmel, Schwanz oder Superpimmel steht. Gut – der Galerist kennt das wahrscheinlich schon. Er holt aus dem Lager ein rares Bild ohne Schwänze, doch als er es umdreht, um die Signatur vorzuweisen, steht auf den Leisten des Keilrahmens noch mal sorgfältig mit schwarzem Edding: Pimmel Supermeister.

Den ganzen identitätsstiftenden Kulturquark, vor allem seine sublimierende Funktion nämlich die Veredelung saublöder, aber eben kreuzfideler Geilheit, verrührt Meese zu einem pathetisch-krustigem Make-up. Dies wird dick aufgetragen auf Leinwand oder anderswo, bis die Pampe im Fladen abschmiert. Ein Video im hinteren Teil der Galerie dokumentiert dies. Kajal kleistert schwärzlich über das Gesicht des Künstlers, der es nicht unterlassen kann, obendrein noch ein eisernes Verdienstkreuz zu küssen. Natürlich muss Jonathan Meese dankbare Küsse austeilen an diesen unsäglich verdienstvollen Haufen von Filmen, Büchern, Helden, Diktatoren und Fabelwesen, die vor ihm ihr Unwesen trieben. Sie machen es ihm ja erst möglich, so dick aufzutragen, dass unklar wird, ob darunter überhaupt etwas verborgen liegt. Dankbare Küsse bedeuten aber nicht, dass man sich danach demütig, durch angehäufte Übermacht geschlagen, zurückziehen müsste in den Winkel. Diese Ausstellung ist eine weitere kampflustige Herausforderung auf dem Schuttberg des kulturellen Vermächtnisses, eine Runde Kulturtaubenschießen mit sich und allen anderen zu veranstalten.

NORA SDUN

Bis 27. August, Contemporary Fine Arts, Sophienstr. 21, Di.–Fr. 10–13 und 14–18, Sa. 11–17 Uhr