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ein brief an einige leserInnenMutiert die taz zum Regierungsblatt?

Wir bekommen viel Lob für die Berichterstattung über die Coronakrise – aber auch Kritik. Einige LeserInnen finden die taz „regierungsnah“ und „mainstreamig“. Versuch einer Antwort

Malte Kreutzfeldt ist Redakteur für Wirtschaft und Umwelt. Eigentlich ist Energiepolitik sein Schwerpunkt, doch als „Lungenarzt-Experte“ kon­zentriert er sich derzeit auf Corona.

Von Malte Kreutzfeldt und Ulrich Schulte

Die taz kommt im Moment gut an. Die Reichweite unseres Onlineangebots ist deutlich gestiegen, seit das Land von der Coronapandemie gelähmt wird. Immer mehr Menschen zahlen freiwillig für Artikel, sie loben unsere Berichterstattung als informativ, aufklärerisch und ausgewogen.

Aber die taz regt auch auf. Manche LeserInnen geben uns in diesen Tagen ein irritiertes Feedback. Sie sehen unsere Berichterstattung über das Virus und die rigiden Maßnahmen der Bundesregierung kritisch. Ein häufiger Kritikpunkt lautet, wir seien zu „regierungsnah“, zu dicht „am Mainstream“ und täten kritische Stimmen, die es wagten, den Regierungskurs zu hinterfragen, als Verschwörungstheorien ab.

Die Redaktion diskutiert solche Fragen engagiert, die Meinungen gehen wie gewohnt auseinander. Wir, die Autoren des Textes, die für viele, aber selbstverständlich nicht für alle tazlerInnen sprechen, möchten auf diese Kritik antworten. Und begründen, warum wir sie für nicht gerechtfertigt halten.

Die Beobachtung, das manche taz-Kommentare die Regierung loben, ist völlig richtig: Tatsächlich fand sich in der taz in letzter Zeit weniger Kritik an der Bundesregierung als zu anderen Zeiten. Und, bitte glauben Sie uns: Auch für einen taz-Redakteur, der es gewohnt ist, erst mal alles zu hinterfragen und vieles zu kritisieren, ist es ein seltsames Gefühl, ein Papier aus dem Innenministerium oder eine Ansprache der Kanzlerin einfach nur zu loben.

Kritik aus Prinzip ist nicht mehr als eine Pose

Aber dass wir das tun, liegt nicht daran, dass wir das kritische Denken plötzlich eingestellt hätten. Im Gegenteil: Wir recherchieren mindestens so intensiv und hartnäckig wie sonst – kommen aber derzeit bei Abwägung aller bekannten Fakten zu der Einschätzung, dass das Vorgehen der Regierung im Großen und Ganzen richtig ist. Dafür, dass von dem neuen Coronavirus eine ernsthafte Gefahr ausgeht und die Gegenmaßnahmen erforderlich sind, gibt es – leider – gute Argumente, für das ­Gegenteil dagegen nicht.

Wenn eine taz-Autorin oder ein taz-Autor Maßnahmen der Regierung gutheißt, tut sie oder er das, weil er sie nach einer kritischen Prüfung inhaltlich für richtig befindet, nicht um irgendwem zu gefallen. Als Angela Merkel im Jahr 2015 die Grenzen für Geflüchtete offen ließ, lobten taz-Kommentatoren die Kanzlerin auch – weil sie ihre humanitäre Haltung unterstützten. Als Merkel wenig später mit anderen EU-Staaten die Europäische Union abschottete und Asylrechtseinschränkungen beschloss, wurde sie von uns scharf kritisiert.

Auch wenn die taz eine lange Geschichte als Teil der „Gegenöffentlichkeit“ hat: Etwas zu schreiben, was wir eindeutig für falsch halten, nur um uns vom sogenannten „Mainstream“ zu unterscheiden, kann und darf nicht der Anspruch einer intelligenten Zeitung sein. Kritik aus Prinzip ist nicht mehr als eine Pose. Gute Argumente eines Gegenübers zu ignorieren, weil er auf der vermeintlich falschen Seite steht, ist Ideologie.

Jenseits der Tatsache, dass wir das Coronavirus ebenso wie alle relevanten WissenschaftlerInnen und alle seriösen Medien sehr ernst nehmen, halten wir den Vorwurf, die taz sei zum „Regierungsblatt“ mutiert, für nicht haltbar. Wir schauen gerade sehr genau hin, egal ob es um die Kontaktbeschränkungen in den verschiedenen Bundesländern geht (Wo und warum darf man nicht auf einer Parkbank sitzen?), um die Einschränkungen des Versammlungsrechts oder die Folgen der Pandemie für marginalisierte, arme oder geflüchtete Menschen.

Ulrich Schulte leitet das Parlaments­büro der taz. Und weil sich die Regierung derzeit ebenso wie die Op­po­sition fast nur mit der Corona-Epidemie beschäftigt, tut er das ebenfalls.

Und zu Fragen, auf die es jeweils mit guten Gründen unterschiedliche Antworten gibt, veröffentlichen wir selbstverständlich auch unterschiedliche Sichtweisen. Die taz bleibt ein Hort der Pluralität. Jede und jeder darf schreiben, was sie oder er will. Ein paar Beispiele: Zur Frage, ob die Ausgangsbeschränkungen übertrieben sind oder ob die Spielplätze offen bleiben sollen, gab es jeweils einen Pro- und einen Contra-Kommentar. Der Grüne Boris Palmer, der den Shutdown kritisch sieht, bekam breiten Raum in der taz. Im Disput zwischen den Virologen Christian Drosten und Hendrik Streeck sind beide Seiten ausführlich zu Wort gekommen.

Wer allerdings wie einzelne LeserInnen verlangt, dass wir auch völlig abstruse Meinungen ungefiltert ins Blatt lassen sollten, wird weiterhin enttäuscht werden. Menschen, die Fakten offensichtlich ignorieren, zu lebensgefährlichem Verhalten aufrufen und absurde Verschwörungstheorien verbreiten wollen, wird die taz kein Forum bieten. Wenn bestimmte Positionen nur in obskuren oder rechtslastigen Internetmedien vorkommen, spricht das nicht zwangsläufig gegen alle anderen Medien – sondern eher dafür, dass sie ihre Arbeit ordentlich machen.

Das wollen wir auch in Zukunft tun. Hartnäckig und kritisch, aber faktenorientiert – und hoffentlich weiter mit breiter Unterstützung unserer GenossInnen, LeserInnen und taz-zahl-ich-UnterstützerInnen. Den Dialog mit Ihnen, unseren LeserInnen, werden wir auch in Zukunft suchen. Denn ohne Sie, die uns hoffentlich gewogen bleiben, geht es nicht.

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