berliner szenen Genug Durst

Der Bierpass

Im Fenster des „Bechereck“ in der Okerstraße hoch im Norden von Berlin hängt eine mit schwarzem Filzer beschriftete Papptafel. Unter der Überschrift „Bierpass“ steht: „20 x 0,3 ltr. Ambrosius Pils 20 Euro – Sie sparen 4 Euro; 30 x 0,3 ltr. Ambrosius Pils 29 Euro – Sie sparen 7 Euro; 50 x 0,3 ltr. Ambrosius Pils 45 Euro – Sie sparen 15 Euro.“

Dort steht nicht, ob das Angebot für einen Abend gilt, für eine Woche oder für ein Jahr. Eine längere Gültigkeitsdauer ist unwahrscheinlich – dazu gibt es zu viele Unwägbarkeiten: Die Biersteuer könnte erhöht werden, die Währung reformiert, das gerade unter Trinkern so essentielle Solidaritätsprinzip unterhöhlt. Man kennt das von der Rente – jahrelang trinkt man und steht am Ende doch mit leeren Händen da. Eine eigene Leberversicherung federt kaum die gröbsten Härten ab.

Das „Bechereck“ hat geschlossen. Wider Erwarten stehen auch keine Schlangen wie vor dem Konsulat in Kiew um Trinkpapiere an. Schade, denn zu gern würde ich wissen, wie der Bierpass aussieht – ich habe so viele Fragen: Ist der Umschlag rot oder blau? Wie international gibt sich der Innenteil – „boozeport“, „papière de la bière“, „caramba de corona“? Benötigt der Inhaber ein Passfoto mit violetter Nase? Ist eine doppelte Schnapsbürgerschaft erlaubt – zum Beispiel mit dem „Weingewölbe“ in der Papestraße – oder muss man den Bierpass dann zurückgeben? Kann ich die Kinder mit eintragen lassen, in Birma einreisen, und wo überhaupt sind die Grenzen des Passgebiets? Bin ich damit von der Promillegrenze befreit, gilt das Dokument zugleich auch als Führerschein?

Ich warte lieber, bis ich genug Durst habe, um 15 Euro zu sparen – sonst lohnt sich das ja nicht.

ULI HANNEMANN