: Streit um Vertriebene
Internationale Stiftung mit Sitz in Warschau fast perfekt. CDU-Chefin Merkel beharrt dagegen auf Zentrum in Berlin
BERLIN taz ■ Kurz vor ihrem wahrscheinlichen Ende will die rot-grüne Bundesregierung die geplante Stiftung zum Gedenken an Vertreibungen offenbar noch unter Dach und Fach bringen. Nachdem die Regierung bereits im Februar mit Polen, Ungarn und der Slowakei den Weg für eine Stiftung mit dem Namen „Europäisches Netzwerk Erinnerung und Solidarität“ freigemacht hatte, sollen an diesem Freitag Expertendelegationen aus den vier Ländern in Warschau zusammen kommen, um Details der Satzung zu diskutieren. Dagegen bekräftige die Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel am Wochenende die CDU/CSU-Forderung nach einem solchen Zentrum in Berlin, die von den Staaten Ostmitteleuropas heftig kritisiert wird.
Nach Informationen des Nachrichtenmagazins Spiegel soll das geplanten Netzwerks als Stiftung polnischen Rechts arbeiten, ihren Sitz in Warschau haben und gemeinschaftlich finanziert werden. Die polnische Direktorenstelle sei bereits ausgeschrieben. Die Stiftung soll internationale Forschungen, Kongresse und Ausstellungen zum Thema Vertreibung koordinieren und organisieren. Vom Büro der Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) war gestern niemand zu erreichen, um den Bericht zu kommentieren. Merkel betonte unterdessen, mit dem geplanten Zentrum wolle Deutschland „nicht irgendwelche geschichtlichen Abläufe neu aufrollen“. Die Regierungen Ostmitteleuropa befürchten, ein solches Zentrum in Berlin könnte der Bundesrepublik zu revisionistischen Zielen dienen.
Schon vor einer Woche hatte die Rektorin der Europauniversität in Frankfurt an der Oder und Regierungskoordinatorin für die deutsch-polnischen Beziehungen, Gesine Schwan, gewarnt, die Forderung nach einem Berliner „Zentrum gegen Vertreibung“ im CDU/CSU-Wahlprogramm haben in Polen „große Unruhe ausgelöst“. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte sich gegen ein solches Zentrum an der Spree ausgesprochen.
Im Union-Wahlprogramm steht: „Wir wollen im Geiste der Versöhnung mit einem Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin ein Zeichen setzen, um an das Unrecht von Vertreibungen zu erinnern und gleichzeitig Vertreibung für immer zu ächten.“ Die Union unterstützt damit den Plan des Bundes der Vertriebenen, die ein solches Berliner Zentrum seit fünf Jahren fordert – und ebenfalls bereits eine Stiftung mit dem Namen „Zentrum gegen Vertreibungen“ gegründet hat. PHILIPP GESSLER