Radmarathon zum Gedenken an Hiroschima
Mit einer Tour vom US-Hauptquartier in Stuttgart zum US-Stützpunkt Büchel in der Eifel protestieren Friedensinitiativen gegen die US-Atomwaffen in Deutschland. Prominente Radsportler unterstützen die Aktion durch ihre Teilnahme
Im Ernstfall sollen auch deutsche Piloten die Atombomben ans Ziel fliegen
MANNHEIM taz ■ Willi Altig kann eigentlich kein Fahrrad mehr sehen. Wer mehr als 20 Jahre lang professionell Rad gefahren sei, hasse eben irgendwann das stählerne Sportgerät mit dem harten Rennsattel, sagt der heute 70-Jährige. Rennradfahren sei schließlich „die härteste Sportart überhaupt“. Doch ab und zu steigt der fünffache Deutsche Meister, Etappengewinner des Giro d’Italia und erfolgreiche Teilnehmer der Tour de France wieder aufs Fahrrad. Im Rahmen von Benefizfahrten etwa für krebskranke Kinder. Oder für die Umwelt. Und wie in knapp einer Woche für den Weltfrieden und gegen Atomwaffen auf deutschem Boden.
Am kommenden Samstag findet der Radmarathon „Pacemakers“ statt. Am 6. August vor genau 60 Jahren war die japanische Stadt Hiroschima Ziel eines Atombombenabwurfs der US-amerikanischen Luftwaffe am Ende des Zweiten Weltkriegs. Nur Tage später wurde auch die Stadt Nagasaki atomar verseucht. Zehntausende starben bei den atomaren Angriffen und Zehntausende an den Spätfolgen.
„Sportlich aktiv für eine atomwaffenfrei Welt“ heißt das Motto der 333 Kilometer langen Tagesfahrt. Mit dabei sind neben Altig auch Udo Bölts, der mehrfach die Tour de France fuhr, und die jüngste Radweltmeisterin aller Zeiten, Ute Enzenauer. Zum Unterstützerkreis des Radmarathon für den Frieden gehört etwa neben Greenpeace und dem „gepa Fair Handelshaus“ auch die taz.
Die Tour startet in Stuttgart, dem Sitz der US-amerikanischen Kommandozentrale für Europa (Eucom). Und führt dann über die US-Airbase Ramstein in der Pfalz zum Luftwaffenfliegerhorst Büchel in der Eifel. Auf den Nato-Flughäfen Ramstein und Büchel sollen nach offiziell nicht bestätigten Informationen insgesamt etwa 150 Atomwaffen lagern, die von Spezialeinheiten der US-Streitkräfte gewartet und bewacht werden.
Dass die Atombomben im Ernstfall auch von den in Büchel stationierten Phantomjägern der Bundeswehr aufgenommen und von deutschen Piloten an ihre Zielorte geflogen werden könnten, ist für die Initiatoren der Veranstaltung eine „zusätzliche Motivation“ für die Aktivisten. Dass sich jetzt sogar die Bundestagsfraktion der FDP für die „vollständige Beseitigung von Atomwaffen aus Deutschland und ganz Europa“ einsetze, werten die Friedensaktivisten als „Erfolg der langjährigen Aufklärungsarbeit der Friedensinitiativen“.
Die sind schon am Tag und in der Nacht vor dem Radmarathon aktiv. Vor dem Gebäude der Eucom im Stuttgart findet zum Gedenken an die Opfer der Atombombenabwürfe in Japan und im Rahmen der bundesweiten Kampagne „Nacht der hunderttausend Kerzen“ eine Kundgebung statt. Dort werden dann auch die Teilnehmer einer Radwanderfriedenstour durch Bayern und Baden-Württemberg erwartet.
In Ramstein organisiert die Friedensinitiative Westpfalz ein Friedenscamp, dessen Teilnehmer dann die „Pacemakers“ verpflegen und später in Richtung Büchel verabschieden werden. Dort wartet am späten Samstagabend schon die Friedensgruppe Cochem-Zell. Sie hat zu einer „Nachtwache“ vor der Airbase aufgerufen. Dort eintreffen sollen dann auch die Teilnehmer einer Friedensfahrt aus Prag. Gegen 24 Uhr, so Friedensaktivistin Elke Koller von der Mosel, soll die Wache mit einem „Die-in“ beendet werden.
Natürlich fährt Willi Altig nicht die gesamte Strecke mit, die länger als die meisten Etappen der Tour de France ist. „Dafür bin ich inzwischen zu alt“, sagt er. Altig will nur die 71 Kilometer von Bretten im Kraichgau nach Neustadt an der Weinstraße „runterschrubben“.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT