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Archiv-Artikel

Neonazis fürchten linke Aktionen

Neonazis demonstrieren heute in Leverkusen gegen die Antifa. Sie gehen davon aus, dass ihr Hess-Gedenkmarsch nach Bayern in diesem Jahr von einem breiten linken Bündnis gestört wird

VON SUSANNE GANNOTT

Leverkusen soll heute wieder einmal zum rechten Aufmarschgebiet werden. Der Neonazi Axel Reitz hat für das „Aktionsbüro Westdeutschland“ eine Demonstration „gegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und antideutsche Hetze“ angemeldet. Anlass ist eine Veranstaltung der Antifa Leverkusen, auf der über Gegenaktivitäten zum jährlichen Rudolf-Hess-Gedenkmarsch im bayerischen Wunsiedel informiert werden soll.

Ursprünglich hatte Reitz auch für morgen eine Demonstration angemeldet – gegen eine Kölner Veranstaltung zum selben Thema. Diese wurde am Sonntag allerdings kurzfristig wieder abgesagt, wie die Kölner Polizei der taz bestätigte. Mit der Kampagne „NS Verherrlichung stoppen“ mobilisieren antifaschistische Gruppen zurzeit bundesweit gegen das international immer beliebtere Nazi-Treffen am 20. August. Im vergangenen Jahr hatten sich am Todestag des Hitler-Stellvertreters etwa 4.500 Alt- und Neonazis an dessen Grab in Bayern versammelt. „Da kommen Nazis aus über 20 Ländern, vom alten SS-Kreis bis zum jungen Stiefel-Fascho“, erklärte Sascha Lüttge von der Leverkusener Antifa.

Weil es zum 60. Jahrestag des Kriegsendes womöglich noch mehr werden, hat sich dieses Jahr auch die Gegenseite ins Zeug gelegt: Bundesweit lägen schon Anmeldungen für 35 vollbesetzte Busse vor, so Lüttge. Allein aus NRW würden wohl „mehrere Busse“ mit Antifaschisten nach Wunsiedel anreisen. Weitere Infoveranstaltungen dazu gibt es am 4. August in Bielefeld sowie am 10. August in Detmold.

Die deutsche Neonazi-Szene ist von der breiten linken Mobilisierung nach Wunsiedel, an der neben Antifa-Gruppen aus zahlreichen Städten auch die Bürgerinitiative „Wunsiedel ist bunt“ beteiligt ist, offenbar ziemlich verunsichert. Auf der einschlägigen Webseite www.freier-widerstand.net wird jedenfalls darum „gebeten“, nach der Absage der Kölner Demo den heutigen Marsch durch Leverkusen zu „verstärken, um ein möglichst kraftvolles Zeichen“ zu setzen. Die Leverkusener Antifaschisten lassen sich davon freilich nicht schrecken. „Die Infoveranstaltung wird trotzdem stattfinden“, sagt Sascha Lüttge. Zusätzlich haben Antifa, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA), die DKP-Leverkusen sowie die Kulturvereinigung und das Kulturausbesserungswerk für 18.30 Uhr zu einer Demonstration gegen den Nazi-Aufmarsch aufgerufen.

Dass die linke Gegendemo weder von der Stadt noch von örtlichen Politikern unterstützt wird, ist für Lüttge „enttäuschend, aber erwartbar“. Das sei bei den Nazidemos in Leverkusen am 29. Januar und am 11.November 2004 nicht anders gewesen. Man habe einen Verbotsantrag gegen die Demo eingereicht, „der natürlich abgelehnt wurde“, sich aber nicht an den Gegenaktionen beteiligt. „Die Lokalpolitiker sind offenbar der Meinung, man solle die Nazis besser schweigend übersehen“, so Lüttge.

Das wollte Leverkusens Oberbürgermeister Ernst Küchler (SPD) allerdings nicht auf sich sitzen lassen. „Es geht nicht darum, das Problem zu verschweigen. Wenn ich könnte, würde ich solche Demos verbieten.“ Leider habe er diese Macht aber nicht, bedauerte Küchler gegenüber der taz. Daher bleibe er bei seiner Linie, jede Form von Nazismus öffentlich abzulehnen und die Bürger in Veranstaltungen – etwa zur „Reichskristallnacht“ – aufzuklären. „Aber ich halte wenig von Gegendemos, das schafft den Neonazis doch nur eine zusätzliche öffentliche Plattform.“