meinungsstark
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Exponentiell gedacht

„Die Missachtung der Mathematik hat die Coronakrise verschärft“, taz vom 21./22. 3. 20

You made our day. Mein Mann, Chemiker, und ich, Mathematikerin, haben uns beim Frühstück köstlich amüsiert. Die Kombination aus ironischer Beschreibung typischer MINT-Absolvent*innen und fundierter Information über die Mathematik, die man braucht, um die Entwicklung der Coronainfektionszahlen zu verstehen, ist erfrischend. Ich wünsche dem Artikel viele Leser*innen. Ergänzen ließe sich noch, dass wir zum Glück eine Kanzlerin haben, die Naturwissenschaftlerin ist und daher den Unterschied zwischen exponentiellem und linearem Wachstum kennt. Ute Finckh-Krämer, Berlin

Mehr Geld an der Front

„Kurzarbeit im Krankenhaus?“, taz vom 21./22. 3. 20

Wenn Herr Spahn Milliarden für die Finanzierung von Kliniken bereitstellen will, dann kommen die Krankenschwester, Hebamme, Pfleger und das gesamte nicht ärztliche Personal mal wieder nicht vor. Ihnen allen aber steht gesetzlich verbrieft eine Gefahrenzulage zu, die für die nächsten Monate fällig wäre. Vielleicht wäre es sinnvoll, anstatt uns Rentnern das Geld hinterherzuwerfen, es an der Coronafront einzusetzen, sonst droht dort schnell ein Totalausfall.

Franz Kluge, Tettau

Aus Rücksicht auf mich

„‚Bleib bloß weg‘, hat sie gesagt“, taz vom 21./22. 3. 20

Am Wochenende und in diesen ersten Frühlingstagen, frostig, sonnig, einladend zum Spazierengehen, Flanieren, Eisessen, wurde wieder Rücksicht auf mich genommen. Denn meinetwegen gibt es kein nachmittägliches Kuchenessen auf der Caféterrasse, nicht die Currywurst am Stand, den Bummel nur zu zweit. Mea culpa: „Das öffentliche Leben steht weitgehend still, um die Alten und Kranken vor dem Coronavirus zu schützen.“ Ich bin alt, ohne Umschweife: im 74. Lebensjahr, und krank bin ich dazu aufgrund einer neuromuskulären Sache nur noch mit fast halber Lungenkraft atmend, also so, dass mich Covid-19, erwischte es mich, zum finalen Abtreten zwingen würde. Also bleibe ich lieber zu Hause, gehe – vielmehr rolle – nicht spazieren, nicht essen, nicht einkaufen. Trotzdem ist von mir im Zusammenhang mit Rücksicht die Rede. Und im Zusammenhang mit mir wird Solidarität beschworen und gepriesen. Aber ich will nicht, dass aus Rücksicht auf mich und Solidarität mit mir Existenzen bedroht sind. Ich will nicht, dass Kinder nicht mehr in die Schule gehen und erschöpfte Arbeitnehmer nicht mehr Urlaub machen können. Ich will nicht, dass Ärztinnen und Ärzte und all die Pflegenden sich in Gefahr bringen. Was für eine Verantwortung trage ich, indem für mich Verantwortung übernommen wird? Dass die bei mir liegt, hat allerdings niemand behauptet. Entschieden wurde politisch, die Fallkurve über einen längeren Zeitraum flach zu halten, damit immer ausreichend Intensivbetten zur Verfügung stehen. Die ganze Katastrophe wird sich also noch hinziehen. Keine Missverständnisse: Hilfe, Unterstützung, Ideen und Initiativen derzeit und allerorten sind großartig. Aber wie lang ist die Halbwertszeit von Rücksicht und Solidarität? Könnte es passieren, davor fürchte nicht nur ich mich, dass die Jungen und Gesunden es irgendwann leid sind und ihre Geduld endet? Ein junger Nachbar hat sich ohne Nachdenken und Empathie überlegt, dass es doch besser wäre, das Virus auf die Menschheit loszulassen. Dann würden die Alten sterben, O-Ton: „Es gibt sowieso zu viele“, und die Rentenkassen würden entlastet. Nun ja, toxische Ideen blühen vor allem im Netz ausreichend auf. Schon zeigen sie sich auch in Äußerungen in Leser:innenbriefen, wenn davon die Rede ist, dass ein ganzes Volk in Haft genommen würde. Die Zusammenhänge sind, wie so oft, so vielschichtig, dass Vereinfachungen erleichtert angenommen werden. Ach, gerade jetzt wird in Peine ein Krankenhaus geschlossen. Es war nicht rentabel. Claudia Toll, Springe