: Schwarzer Peter bei der Tabakwerbung
Seit dieser Woche soll in der EU weniger für blauen Dunst geworben werden. Doch Deutschland ist noch nicht so weit
BERLIN taz ■ Die Verlegerbranche schmollt, die ehemalige Bundesjustizministerin Hertha Däubler-Gmelin (SPD) wirft der Opposition Blockadehaltung vor und die Grünen fordern „eine Diskussion, inwieweit die Werbewirtschaft Verantwortung in sensiblen Bereichen übernehmen muss“: Seit gestern ist die EU-weite Richtlinie für ein Tabakwerbeverbot in Printmedien, dem gesamten Rundfunk und dem Internet in Kraft.
Doch Deutschland hinkt bei der Umsetzung der Richtlinie wieder mal hinterher: Erst im Mai beschloss das Kabinett ein entsprechendes Gesetz – das jetzt an der Unions-Mehrheit im Bundesrat zu scheitern droht. Sie teile die Befürchtung, dass die Union hier für entsprechende Lobbyarbeit der Wirtschaft zugänglich sei, sagte Däubler-Gmelin, derzeit Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Verbraucherschutz und Landwirtschaft, gestern im Deutschlandradio Kultur.
Dieselbe Zugänglichkeit wird allerdings auch diversen Sozialdemokraten nachgesagt: Schließlich spendeten die Tabakkonzerne und der Lobby-Verband der Cigaretten-Industrie (VCV) in den vergangenen Jahren erkleckliche Summen an beide großen Volksparteien (siehe taz vom 14. 6.).
Die Bundesregierung trage die EU-Politik inhaltlich mit, lautet die schöne Sowohl-als-auch-Formel. Denn gleichzeitig klagt Deutschland vor dem EU-Gerichtshof gegen die Richtlinie – formal, weil sie einen Eingriff in die Kompetenzen der EU-Mitgliedsländer darstelle. Doch die Chancen dieses von der Tabakindustrie, der Werbebranche und den Verlegern unterstützten Unternehmens gelten als gering. Und so wird vor allem die Printmedien-Branche nicht müde, das Ende so mancher Freiheiten zu beklagen: der Informationsfreiheit der Verbraucher, zu der natürlich auch Tabakwerbung gehöre. Und indirekt auch das der Pressefreiheit. Denn nun fehlt den schon durch die allgemeine Werbekrise gebeutelten Unternehmen noch mehr Geld, mit dem so teure Dinge wie Redaktionen bezahlt sein wollen.
Nun ist seit drei Jahren bekannt, dass die Richtlinie kommt – und auch, wen sie trifft: in erster Linie Zeitschriften und Magazine. In Tageszeitungen finden sich schon heute kaum noch Zigarettenanzeigen. Kino- und Plakatwerbung sind dagegen von der EU-Richtlinie ausdrücklich ausgenommen und dürfen weiter für den blauen Dunst trommeln. Und im Fernsehen ist Tabakwerbung hierzulande schon seit gut zehn Jahren tabu.
Was die Zeitschriften angeht, hilft ein Blick über den Tellerrand: Schon vor Gültigwerden der EU-Richtlinie hatten beispielsweise Großbritannien, Italien, Irland und auch Frankreich deutlich strengere Beschränkungen. Ohne dass es in diesen Ländern zum ganz großen Zeitschriften-Sterben gekommen wäre. STEFFEN GRIMBERG