Vergewaltigung in Kaserne

BUNDESWEHR In Bückeburg wird eine Unteroffizierin überfallen. Ist es ein Einzelfall?

BÜCKEBURG/BERLIN dapd/taz | In einer Kaserne im niedersächsischen Bückeburg ist eine junge Soldatin vergewaltigt worden. Der Täter soll die Unteroffizierin anschließend gefesselt und in einen Spind gesperrt haben. Nach dem Täter werde noch gesucht, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Bückeburg.

Laut Medienberichten soll es sich bei dem Opfer um eine junge Unteroffizierin aus der Bückeburger Heeresfliegerwaffenschule handeln. Nach der Tat am Sonntagabend soll der Täter ihr ein Mobiltelefon in den Spind gelegt haben, damit sie Hilfe rufen konnte. Ob das angesichts der Fesselung möglich war, ist jedoch unklar, ebenso wie die Umstände ihrer Befreiung.

Noch ist auch unklar, ob der Verdächtige unter den Soldaten zu finden ist. Er könne nicht ausschließen, dass jemand von außen in die Kaserne eingedrungen ist, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der Vorfall wird auch vom Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus verfolgt. Es gebe kaum sexuelle Übergriffe in der Truppe, sagte sein Sprecher Sebastian Hille. „Glücklicherweise sind solche Fälle absolute Einzelfälle.“

Anderer Meinung ist Gerhard Kümmel vom sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr: „In unserer Erhebung von 2008 haben 5 Prozent der Soldatinnen einen versuchten oder tatsächlichen sexuellen Gewaltakt gemeldet. Das kann man nicht mehr als Einzelfälle bezeichnen“, so der wissenschaftliche Direktor, der die Forschung zum Thema Frauen leitet.

Während die Bundeswehr meint, die Integration sei erfolgreich abgeschlossen, klingt dies in Kümmels Bericht „Truppenbild mit Dame“ anders: „Der Integrationsprozess läuft nicht problemfrei.“ Unter anderem waren über die Hälfte aller männlichen Soldaten der Meinung, die Bundeswehr habe sich durch den Eintritt der Frauen „zum Schlechteren verändert“. Knapp 80 Prozent wollen keine weitere Erhöhung des Frauenanteils, der laut Wehrbericht 8,1 Prozent beträgt.

19 Prozent der Soldatinnen berichteten den ForscherInnen von unerwünschten sexuellen Berührungen. Drei Viertel der Soldatinnen, die sexuelle Belästigung erlebt hatten, geben an, diese nicht gemeldet zu haben, weil sie Angst hatten. Wurden Vorfälle gemeldet, dann verliefen die Untersuchungen in knapp der Hälfte der Fälle im Sand.

„Die Soldaten erleben, dass Frauen besonders behandelt werden“, sagt Militärsoziologin Christine Eifler von der Uni Bremen. „Das erzeugt Aggressionen.“ Ob diese im Fall der aktuellen Vergewaltigung eine Rolle gespielt haben könnte, ist natürlich reine Spekulation. Kümmel plädiert dafür, dass die Bundeswehr sich ein Fortbildungsinstitut zulegt, in dem gelernt wird, mit Differenzen produktiv umzugehen. „Die Bundeswehr wird immer bunter werden. Es ist Zeit, dass sie daraus Konsequenzen zieht.“

HEIDE OESTREICH