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Archiv-Artikel

Kandidat der leisen, aber klaren Töne

Er ist ein Mann der leisen Töne. Selbst wenn er jemanden abwatscht, spricht Norman Paech noch mit sanfter Stimme. So wie auf dem PDS-Parteitag, auf dem der emeritierte Professor für Staats- und Völkerrecht zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gekürt wurde. Ob das für ihn „ein Lusttrip“ sei oder eher „ein Lasttrip“, fragte ihn dort ein Junggenosse. „Lusttrip war früher“, so Paech, der bis vor zwei Jahren an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik lehrte: „Ich bin jetzt 67.“ Und er gedenke, fügte er hinzu, nur noch „Ernsthaftes“ zu machen.

Mit dem Jura-Professor, der schon als Bundesvorsitzender der „Vereinigung demokratischer Juristen“ von 1977 bis 1986 dem Verfassungsschutz ein verdächtiges Subjekt war, hat sich die hanseatische Linkspartei.PDS, wie sie sich jetzt offiziell nennt, keinen bequemen Mann ins Boot geholt. Weder beschwört Paech, der in Zusammenarbeit mir Menschenrechtsorganisationen mehrfach Untersuchungen in der Türkei und im Nahen Osten durchführte, wirre Feindbilder, noch verströmt er altkommunistischen Mief. Internationale und Entwicklungspolitik werde sein Schwerpunkt im Bundestag sein, sofern das eine erhoffte Mandat am 18. September erreicht werde. „Und natürlich die Menschenrechte – in Tibet und der Türkei, in Nordkorea und Kuba, in den USA und in Deutschland“

Bei der Aufzählung applaudieren nicht alle der knapp 80 demokratischen Sozialisten im Saal. Auch nicht, als Paech verkündet, über sozialistische Projekte zu diskutieren, sei zurzeit „eine Phantomdebatte“. Zunächst sei die „Abwehrschlacht gegen die Logik des Kapitals“ zu gestalten, „Träume“ müssten verschoben werden.

Sie wählen ihn trotzdem fast einstimmig, die GenossInnen der Hamburger PDS. Sie haben auch keine Alternative, denn der Mann an der Spitze muss auch den Leuten von der WASG im Stadtstaat gefallen, sonst wäre die Linkspartei noch vor ihrem Zusammenschluss gespalten. Und denen von der Wahlalternative gefällt einer wie Paech außerordentlich. Zum Beispiel dann, wenn er den „trostlosen Weg der Grünen“ rügt. Und besonders, wenn Paech „den Widerspruch“ zwischen Lohnkürzungen und gleichzeitigem Vorwurf der Konsumverweigerung als „Verkommenheit politischer Kultur“ bezeichnet. Und auch dann, wenn er seinen Austritt aus der SPD im November 2001 nach 32-jähriger Mitgliedschaft mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan begründet. „Dieser Staat“, sagt Professor Paech, „kann mich nicht bezahlen, damit ich Völkerrecht lehre, und dann erwarten, dass ich es hinnehme, wenn er es bricht.“ Da klatschen auch die von der PDS mit. SVEN-MICHAEL VEIT